Ein Engel wacht über den konzentrierten Betern in der Kirche.
Ein Engel wacht über den konzentrierten Betern in der Kirche.
Sie ist ein von vielen übersehener Kraftort zwischen Modeketten und Schnellimbiss: Die „Mariahilferkirche“ an der nach ihr benannten Mariahilferstraße, Wiens wichtigster Einkaufsstraße.
Unterirdisch fließendes Heilwasser und ein schon von Kaiserin Maria Theresia aufgesuchtes Gnadenbild der Muttergottes machen sie zu einem starken Kraftwerk für Leib und Seele.
Am Ende des Sommers piepst es an den Kassen permanent. In den Geschäften und Kaufhäusern der Mariahilferstraße wird kräftig eingekauft: Mode, Schuhe, Schulsachen oder letzte Schnäppchen aus dem Sommerschlussverkauf wandern in die Einkaufstaschen. Die „Mahü“ ist Wiens längste Shoppingmeile und seit ihrer Umgestaltung großteils Fußgängerzone.
In früheren Jahrhunderten wanderten hier nicht die Kauflustigen, sondern die Wallfahrer. „Am Rand der Mariahilferstraße steht eine der bekanntesten und größten Wallfahrtskirchen unserer Wienerstadt“, erzählen Robert Bouchal und Hubert Zeinar in ihrem (leider vergriffenen) Buch „Kraftorte in Wien“.
Der Grund, warum so viele Menschen hinaus nach Mariahilf gepilgert sind, ist die Darstellung „Mariahilf“ über dem Hochaltar. Das Original dieses Marienbildes wurde um 1520 von Lucas Cranach gemalt und befand sich ursprünglich in Passau. Von dort nahm die Verehrung der mittlerweile als ,Mariahilf’-Bild bekannten Darstellung ihren Ausgang.
Die Wallfahrtskirche entstand zunächst als Friedhofskirche für den Friedhof der Michaelerkirche (1656). Der Barnabit Don Cölestin Joanelli stiftete hierfür das bekannte Gnadenbild. „Wunderbare Gebetserhörungen und Krankenheilungen, die sich bald im Zusammenhang mit dem Muttergottesbild ereigneten, ließen die Kirche schnell zur Gnadenstätte werden“, schildern Robert Bouchal und Hubert Zeinar: „Viele Wiener nahmen bei Pest, Cholera, Türkengefahr und anderen Nöten ihre Zuflucht zur Muttergottes von Mariahilf.“
Kaiserin Maria Theresia holte sich vor dem Gnadenbild Kraft und Stärke im Kampf gegen Friedrich von Preußen und flehte um die Befreiung Prags im Siebenjährigen Krieg (1756-1763). „Klemens Maria Hofbauer, der Apostel Wiens, betete oft und gerne in dieser Kirche.
Sogar große Staatsprozessionen zogen noch bis in das 19. Jahrhundert zum Gnadenbild“, berichten die Heimatforscher. Heute zeigt sich „Mariahilf“ als offenes Gotteshaus, vor dessen Eingang moderne Skulpturen zeitgenössischer Künstler zu sehen sind.
Zwischen Modeketten und Schnellimbiss aber lädt die offene Kirchentür die vorbeiziehenden Menschen ein, der zärtlichen Muttergottes von Mariahilf einen Besuch abzustatten und sich an einem der wunderbarsten Kraftorte Wiens zu erfrischen.
Die Mariahilferkirche werde von einer großen Anzahl von Wasserläufen durchzogen, heißt es in „Kraftorte in Wien“: „Diese bringen eine starke Konzentration von aufbauender Energie, die Lebenskraft spendet, in die Kirche hinein. Man kann davon ausgehen, dass es sich dabei um unterirdisch fließendes Heilwasser handelt.“
Ein energetisch begünstigter Platz sei bei der Kanzel spürbar, im Barock bewusst so angelegt, um den predigenden Priester in seiner Rede zu unterstützen. „Schade, dass der Priester nicht mehr von der Kanzel das Wort an die Gläubigen richtet. Verwaist stehen oder hängen die Kanzeln in den Kirchen...“, bedauert Hubert Zeinar.
Die Mariahilferkirche ist auch außerhalb der Gottesdienstzeiten gut besucht. Beterinnnen und Beter sitzen konzentriert und in sich gekehrt in den Bänken. Auch in den Kirchenbänken teile sich die im gesamten Raum präsente hohe Energiekonzentration mit, erläutern Robert Bouchal und Hubert Zeinar: „Dort lässt es sich gut neue Kräfte aufnehmen, gut beten und gut meditieren“.
Die Heimatforscher resümieren: „Unsere Gesellschaft ist geprägt vom Dreiklang Kaufen – Gebrauchen – Wegwerfen. Hier aber gilt ein anderer Maßstab: Beten – Erhört werden – Danken.
Über dreihundert Jahre haben Menschen hier inneren Frieden, Geborgenheit und Hilfe in ausweglosen Situationen gefunden. Ein ideales Kraftwerk für die Seele.“
Gnadenbild Mariahilf
Der Typus der dargestellten Muttergottes ist byzantinischen Ursprungs und als „Theotokos Glykophilousa“, als zärtliche Gottesmutter, bekannt. Das Original des Bildes stammt von Lucas Cranach, (siehe Wikimedia Gnadenbild Mariahilf).
Buchtipp:
Anselm Grün
Kraftorte: Wo Seele und Welt im Einklang sind
Verlag Herder
ISBN: 978-3451375781
Seit jeher haben Menschen Kraftorte aufgesucht. In allen Religionen gibt es Kultstätten, die an Orten errichtet worden sind, von denen offensichtlich eine besondere Energie ausgeht“, sagt Pater Anselm Grün.
Im Buch „Kraftorte. Wo Seele und Welt im Einklang sind“ ermutigt der bekannte Benediktinerpater, persönliche Kraftorte zu finden und sich Zeit zu nehmen, um diese Orte bewusst wahrzunehmen.
„Es hängt immer auch von unserem subjektiven Wahrnehmen ab, welcher Ort uns guttut und an welchem Ort wir persönlich Kraft schöpfen können“, betont Anselm Grün. Kraftorte könnten uns helfen, mitten in der Hektik des Alltags einen Raum der Stille zu finden, in der wir in Berührung kommen mit dem inneren Raum der Stille auf dem Grund unserer Seele: „Dort, auf dem Grund Ihrer Seele, entdecken Sie den wahren Kraftort, den Ort, an dem Gott in Ihnen wohnt. Und Gott ist die Quelle aller Kraft.“
Was können Kraftorte sein? Anselm Grün greift insgesamt 25 solcher Orte auf, u. a. „Kloster“, „Kreuzgang“, „Wallfahrtskirche“, „Wegkreuz“, „Baum“, „Gartenlaube“ und „Labyrinth“. Herrliche Fotos der jeweiligen „Aufladestationen“ für Körper und Geist bereichern das Buch.
„Mein Geist gewinnt Klarheit“, „Ich komme zur Ruhe“ und „Mein Leib kann sich erholen“: Diese drei Wirkungen von Kraftorten sind Anselm Grün besonders wichtig.
Ermutigend: Die Beschäftigung mit Kraftorten bringt uns in Berührung mit einer Kraft, die nie versiegt, weil sie von Gott selbst her zu uns strömt.