Frau und Kirche: Sind Frauen spiritueller als Männer, wie die gängige Meinung lautet?
Frau und Kirche: Sind Frauen spiritueller als Männer, wie die gängige Meinung lautet?
Die Kirche ist frauenfeindlich, so lautet einer der häufigsten Vorwürfe gegen die Kirche.Welche Rolle spielen die Frauen in der Kirche? Sind Frauen generell spiritueller als Männer?
Zwei der anerkanntesten Experten aus dem österreichisch-kirchlichen Bereich sprechen Klartext und nehmen sich dabei kein Blatt vor den Mund.
Stimmt der Vorwurf, dass die Kirche frauenfeindlich ist?
Univ. Prof. Regina Polak lehrt Pastoraltheologie an der Universität Wien |
Das Wort „feindlich“ stimmt nicht. Historisch betrachtet hat die Kirche in Europa sogar nicht unwesentlich zur Befreiungs-Geschichte der Frau beigetragen.
Die biblische Theologie von der Gleichheit von Mann und Frau, die beide Abbild Gottes darstellen, wie wir in der Genesis lesen können, war dafür ein maßgeblicher Motor. So waren z.B. weibliche Ordensgemeinschaften für viele Frauen eine Möglichkeit, ihrer primären Identifikation als Mutter und Ehefrau in Familienclans zu entkommen und Bildung zu erhalten.
Wenn ich an diesen Teil der Geschichte erinnere, möchte ich freilich damit nicht die Geschichte der Frauenverachtung, der Frauendiskriminierung beschönigen, die es auch gab und gibt.
So haben bereits manche Kirchenväter, beeinflusst durch ein leib- und materiefeindliches platonistisches Denken, Frauen zu Menschen zweiter Klasse erklärt.
Heute ist die Kirche dabei, zu lernen, dass Männer und Frauen durch die Taufe gleichwertige und gleichberechtigte Mitglieder der Kirche sind. Die vielen Konflikte sind deshalb ein gutes Zeichen, dass sich etwas zum Besseren verändert.
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Univ. Prof. Matthias Beck lehrt Moraltheologie an der Universität Wien und ist Priester |
Dass die Frauen in der Kirche immer eine etwas zurückgesetzte Rolle gespielt haben, das ist evident: Priester-Kirche, Männer-Kirche. Es gibt zwar die Orden, aber auch diese Frauen-Orden sind oft unter einer männlichen Ägide gestanden.
Ob die Kirche frauenfeindlich ist? Das wäre mir etwas zu stark, aber die Kirche war nicht genügend frauenintegrierend. Ob jetzt das Priestertum der Frau alle Probleme lösen würde? Ich glaube, dass wir erst einmal mehr an dem Inhalt und dann an den Strukturen arbeiten müssen.
Aus meiner Sicht hat die Kirche, wie ich es einschätzen kann, in Österreich, Deutschland und im Vatikan, zu wenig Spiritualität und zu viel Struktur. Wir haben lange Zeit viel über Sexualmoral und zu wenig über grundlegende Fragen des Lebens gesprochen, wie Menschen ihre Identität, ihre Berufung, ihre Wahrhaftigkeit und Authentizität finden, ihren Lebenssinn, ihren Bezug zu Gott.
Denn das ist der Sinn der Kirche: Menschen zu Gott zu führen, damit ihr Leben besser gelingt An diesen Inhalten müssen wir arbeiten. Das wäre ein erster Punkt.
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Was ist also zu tun? Selbst das Papst-Schreiben zur Amazonien-Synode beschäftigt sich mit der Frauen-Frage...
Univ. Prof. Regina Polak |
Dieses Schreiben löst viele Konflikte aus und hat auch viele Frauen in der Kirche sehr enttäuscht. Es zeigt, dass die Kirche in dieser Frage zum Zerreißen gespannt ist.
Ich vermute, dass sich Papst Franziskus deshalb sehr zurückhaltend verhält – aber nicht frauenfeindlich. Im Gegenteil, er idealisiert unsere Gaben sogar. Und auch das Frauenbild muss man hinterfragen.
Aber er bringt einen Prozess in Gang. Er macht sogar eine Tür auf. So fordert er in diesem Schreiben ja auch dazu auf, Dienste und Ämter einzurichten, die zwar von der Weihe unabhängig sind, aber von den Bischöfen anerkannt werden müssen. Ich hoffe, dass dieser Wunsch auch in kirchenrechtliche Formen gegossen wird. Aber weil der Widerstand so groß ist, trifft er keine großen Entscheidungen.
Aus der Sicht jesuitischer Spiritualität sind zu große Auseinandersetzungen keine gute Zeit für Entscheidungen. Aber der synodale Prozess ist für den Papst noch keinesfalls zu Ende.
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Univ. Prof. Matthias Beck |
Wir müssen zweitens auch an der Struktur arbeiten. Ich finde das Frauenbild, das der Papst im Amazonien-Schreiben zeichnet, sehr wertschätzend, respektvoll.
Viele sehen das nicht so, weil er nicht den Weg für das Frauenpriestertum öffnet. Er hat dabei die Klerikalisierungstendenzen der Männer im Blick und fürchtet, dass solche Tendenzen auch bei Frauen auftreten könnten. Dadurch würden Frauen sich ihrer tiefsten Schätze berauben. Das Frauen-Priestertum oder die verheirateten Priester würden die mangelnden Inhalte in der Vermittlung, wozu das Christentum eigentlich da sein soll (nämlich um die Fülle des Lebens zu finden, Joh 10,10) nicht ersetzen können.
Wir brauchen in der Kirche eine gute Mischung zwischen männlich und weiblich, mehr Frauen, die Verantwortung tragen. Frauenfeindlich ist die Kirche nicht (mehr), aber Frauen könnten noch mehr integriert werden.
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Wie beurteilen Sie die Situation in unseren Pfarren? Welche Rolle spielen hier die Frauen?
Univ. Prof. Regina Polak |
Frauen sind traditionell diejenigen, die die Kinder religiös erziehen, also z.B. mit ihnen im Alltag beten. Das hat sich in Westeuropa und auch in Österreich allerdings rasant reduziert. Da gleichen sich die Geschlechter an. Denn viele Frauen wollen nicht mehr allein auf diese Rolle festgeschrieben werden.
Als ich noch ein Kind war, gab es viele Männer in den Pfarrgemeinderäten. Das hat weniger mit Spiritualität zu tun, das liegt eher daran, dass ein solches Amt früher auch mit einem hohen sozialen Prestige verbunden war. Solange die Kirche ein hohes soziales Image hatte und ihr Beitrag gesellschaftlich noch sehr gefragt war, waren dann auch solche Ämter attraktiv.
In dem Maße, in dem die Kirche aber an Ansehen verloren hat – nicht zuletzt durch die Missbrauchsskandale – ist auch ein kirchliches Engagement für Männer nicht mehr so attraktiv. So gestalten auf der Gemeindeebene heute vor allem Frauen den kirchlichen Alltag und halten das Pfarrleben aufrecht.
Auf der Leitungsebene spiegelt sich dies aber erst allmählich wider. Hier wäre mehr Partizipation nötig und auch möglich.
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Univ. Prof. Matthias Beck |
Auf der Pfarr-Ebene sind meiner Erfahrung nach wahrscheinlich sogar mehr Frauen unterwegs und aktiv als Männer. Auch in den spirituellen Gruppen, die ich betreue, sind überwiegend Frauen dabei, weil die Frauen meistens spiritueller sind. Das Pfarrleben zu organisieren und die verschiedenen Kontakte zu pflegen, gelingt Frauen oft besser als Männern. Vielleicht ist es ähnlich wie in der Familie, hier pflegen die Frauen auch meistens die Kontakte.
Also die Kommunikationsstrukturen könnten insgesamt in der Kirche verbessert werden. Im Vatikan könnten es vielleicht auch mehr Frauen sein oder auch bei Bischofskonferenzen könnten Frauen dabei sein. Oder wenn es um wichtige medizinethische Fragen geht wie die Diskussionen über Abtreibung, Pränataldiagnostik, Präimplantationsdiagnostik, In-vitro-Fertilisation da sollten mehr Frauen dabei sein.
Es sollten nicht nur alte Männer im Vatikan das alles diskutieren. Ich weiß nicht, wie es zahlenmäßig bei den verschiedenen Synoden in Rom war. Da waren, glaube ich, auch zu wenig Frauen dabei, es könnten mehr sein.
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Es gibt die gängige Meinung, dass Frauen prinzipiell spiritueller sind als Männer. Was ist da dran?
Univ. Prof. Regina Polak |
Empirische Studien belegen dies zwar, aber theologisch muss das überhaupt nicht so sein. Ich glaube, dass dieses Ungleichgewicht eher damit zu tun hat, dass Spiritualität oder Religiosität mit Gefühlen, Leiblichkeit, mit vielen weichen und sanften Verhaltensweisen assoziiert werden, wie z. B. Liebe und Zärtlichkeit.
Traditionell werden diese weichen Dimensionen eher Frauen zugeschrieben. Aber das eine unsinnige Pauschalisierung und auch theologisch falsch. Frauen sind nicht nur weich und liebevoll, sondern können auch stark und durchsetzungsfreudig sein. Männer wiederum haben auch weiche Seiten.
Und die Liebe, wie sie in der Bibel bezeugt ist, ist nicht immer nur zärtlich, sondern hat auch andere Facetten: wenn sie beispielsweise Gerechtigkeit und Recht einfordert. Die Propheten haben ihr Volk aus Liebe ermahnt und waren nicht unbedingt zärtliche Gestalten. Auch Jesus war nicht immer nur liebevoll, sondern auch konfrontativ und abgrenzend, z.B. in der Begegnung mit Dämonen. Und selbst die Zärtlichkeit ist nicht harmlos.
Wenn unser Papst dazu ermutigt, keine Angst vor der Zärtlichkeit zu haben, dann wird deutlich, dass Liebe und Zärtlichkeit auch riskant sind.
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Univ. Prof. Matthias Beck |
Meiner Beobachtung nach sind Frauen spiritueller. Sie suchen auch früher nach ihrer Berufung. Ich habe das oft erlebt. Ehefrauen haben zwei, drei, vier Kinder und sind verheiratet. Und dann fragen sie irgendwann in der Lebensmitte: Habe ich eigentlich auch noch eine Berufung für mich, nur für mich als Frau jenseits der Kinder, jenseits des Mutterseins oder Ehefrauseins?
Frauen brechen früher auf, suchen mehr nach Spiritualität. Männern ist das meistens irgendwie zu weichlich. Die sagen: Was brauche ich Religion? Ich bin ein starker Typ, ich stehe meinen Mann.
Das Religiöse kommt - vereinfacht gesagt - aus dem Weiblichen, weil das Religiöse etwas Empfangendes ist. Ich empfange von Gott die Gnade. Mir geschehe nach deinem Wort, sagt Maria, und dann bringt sie das göttliche Wort hervor. Das Weibliche hat beides, das Empfangende und das Gebärende, das Hervorbringende und das Kreative.
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die beiden anerkannten Experten:
Univ. Prof. Regina Polak
lehrt Pastoraltheologie an der Universität Wien
Univ. Prof. Matthias Beck
lehrt Moraltheologie an der Universität Wien und ist Priester
Teil 1: Zwischen Glaube und Geld
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