Zum Leben gehört der Tod. Und zum Tod gehört das Trauern. Nüchtern und realistisch betrachtet. Eine emotionale Ausnahmesituation ist es trotzdem, wenn ein geliebter Mensch stirbt. Und: Kinder und Erwachsene gehen anders mit ihrer Trauer um.
Vier Aufgaben hat der Trauernde laut dem amerikanischen Psychologen und Pionier der Trauerforschung William J. Worden: Erstens, den Verlust als Realität zu akzeptieren. Zweitens, den Trauerschmerz zu durchleben. Drittens, sich an eine Umwelt anzupassen, in der der Tote fehlt. Und schließlich viertens, der/dem Toten einen neuen Platz zuweisen und weiterleben.
In der "Kontaktstelle Trauer" der Erzdiözese Wien sind die Mitarbeiterinnern und Mitarbeiter täglich mit diesen vier Aufgaben konfrontiert. Seit acht Jahren bemühen sich Poli Zach-Sofaly und ihr Team darum, trauernden Menschen Angebote zu machen, die sie in ihrem Trauerprozess begleiten, sie unterstützen und ihnen aus der schweren Situation heraushelfen.
"Trauer hat viele Gesichter" sagt Poli Zach-Sofaly und: "Sie hat kein klar prognostizierbares Ablaufdatum. Trauern braucht Zeit." Grundsätzlich sei es so, dass Trauernde am meisten Verständnis bei anderen Trauernden finden."Deshalb bringen wir Trauernde zusammen und damit miteinander ins Gespräch", sagt Poli Zach-Sofaly. Organisiert werden Kochkurse, Wandertage, Spaziergänge und vieles mehr.
Was Trauernde ihrer Erfahrung nach am meisten fehle, sei Geduld und Akzeptanz ihres unmittelbaren, oft nicht einmal direkt betroffenen Umfeldes und der Gesellschaft. "Trauernde Menschen müssen ihr Leben neu ordnen, neu organisieren. Jemand, der ihr Leben auf einzigartige Weise bereichert hat, ist plötzlich weg, und ohne diesen geliebten Menschen zu leben, ist eine Herausforderung.“
Auffallend sei in jedem Fall, dass unsere Gesellschaft Trauer schlecht aushalte: „Trauer hat kaum mehr Platz", so Poli Zach-Sofaly. "Trauernde Menschen sind ja geradezu eine Zumutung für alle anderen. Sie passen einfach nicht in unsere Welt der immer fröhlichen, immer gesunden, jungen und schönen Menschen."
"Dabei ist Trauer im Grunde eine ganz normale Reaktion auf einen Verlust. Sie ist Ausdruck der Liebe und der Beziehung zu dem Menschen, der gestorben ist", sagt Silvia Langthaler. Die Systemische Familientherapeutin leitet den "Roten Anker", eine Beratungs- und Hilfseinrichtung der Wiener geistlichen Schwesterngemeinschaft Caritas Socialis (CS) für Kinder und Jugendliche im Todesfall. Sie unterstützt aber auch die Patienten im CS-Hospiz Rennweg und arbeitet in Schulprojekten mit Kindern die Themen Sterben, Tod und Trauer auf.
"Kinder trauern ganz anders als Erwachsene. Wenn Erwachsene trauern, dann tun sie das von früh bis spät. Kinder trauern punktueller. Das ist ein natürlicher Schutz, sonst könnten sie den Schmerz gar nicht aushalten", sagt sie und erzählt die Geschichte von Kathi. 9 Jahre alt sei das Mädchen gewesen, als seine Mutter auf der Palliativstation des Hospizes am Rennweg gestorben ist. Von einem Moment auf den nächsten fiel das Kind von tiefer Verzweiflung in große Freude und umgekehrt. „Das ist auf der einen Seite ein wenig befremdlich, aber so sind Kinder", so Silvia Langthaler.
Je nach Alter sei die Art der Information bzw. der Umgang damit natürlich unterschiedlich. Kinder im Kindergartenalter könnten noch gar nicht wirklich erfassen, was passiert ist. Erst im Volksschulalter werden sich Kinder der Endlichkeit des Lebens bewusster.
Klärt man Kinder über den Tod eines Menschen auf, sollte man auf Metaphern wie "eingeschlafen" oder "weggegangen" verzichten, rät die Expertin: "Kinder nehmen das wörtlich. Sie denken sich dann möglicherweise, wenn jemand anderer einschläft, stirbt er auch." Ob "im Himmel" oder "bei Gott" – jede Familie habe unterschiedliche Vorstellungen, was nach dem Tod mit einem Menschen geschieht. Hier könne es hilfreich sein, wenn Angehörige mit dem Kind über diese Vorstellungen sprechen und auch darauf eingehen, "was sich das Kind darüber denkt".
Von der sonst so oft geforderten Verhaltensregel, auf die Fragen der Kinder zu warten und dann nur die genau und mit Feingefühl zu beantworten, hält Silvia Langthaler beim Thema Trauer nichts. "Kindern fehlt die Erfahrung mit diesem Thema. Sie wissen deshalb gar nicht, was sie eigentlich fragen könnten. Da muss man ihnen sozusagen mit seinem eigenen Erfahrungsschatz aushelfen."
Immer wieder höre sie die Forderung, man müsse Kindern Themen wie Sterben Trauer und Tod ersparen. "Da bin ich total anderer Meinung", betont Silvia Langthaler: "Damit, es den Kindern nicht zu sagen, schonen wir nicht die Kinder, sondern nur uns selbst." Außerdem sei es eine Tatsache, dass wir unseren Kindern manches Leid nicht ersparen können. "Wenn ein Mensch stirbt, den sie lieb gehabt haben, dann werden sie leiden – und das dürfen sie auch. Das müssen wir als Erwachsene auch aushalten." Natürlich sei es nicht leicht, ein schweres Thema mit Kindern anzugehen.
"Aber was ist die Alternative? Mit ihnen nicht darüber zu reden, heißt doch sie auszuschließen, sie auch mit ihrer Trauer allein zu lassen. Das ist in meinen Augen keine Alternative." Viel mehr bricht Langthaler dafür eine Lanze, auch Kinder immer mit einzubeziehen. Das gelte für Besuche auf der Palliativstation genauso wie für ein Begräbnis. Kinder sollten auch zum traditionellen Besuch am Grab zu Allerheiligen mitgenommen werden, bereits von klein auf. "Trauer beginnt ja meist nicht erst, wenn der geliebte Mensch stirbt, sondern schon davor, oft eben mit einer schlimmen Diagnose. Das ist bei Kindern genauso wie bei Erwachsenen."
Wie schon Poli Zach-Sofaly ortet auch Silvia Langthaler einen Unwillen in der Gesellschaft, sich mit dem Thema Sterben und Trauer auseinanderzusetzen. "Es fehlen Rituale, die helfen, das Erlebte zu verarbeiten: vom Abschiednehmen von einem lieben Verstorbenen über die Aufbahrung des Toten zu Hause, über Rosenkranz-Beten, eine Erinnerungskiste mit Sachen des Verstorbenen anlegen, Austauschen von Erinnerungen über den Toten bis hin zum Grablichter-Malen für das Grab. Das ist schade, denn es würde helfen, zu begreifen, was eigentlich passiert ist."
Mit Blick auf trauernde Kinder und Jugendliche sei das Fehlen solcher und ähnlicher Rituale besonders fatal. "Für mich stellt sich da doch auch immer die Frage, was möchten wir unseren Kindern mitgeben. Wir alle lernen durch Vorbild, das ist so eine Binsenweisheit, und natürlich lernen wir auch, wie man trauert, wie man mit Tod und Sterben umgeht, durch Vorbilder. Und ist es nicht gut, wenn unsere Kinder sehen, dass es Möglichkeiten gibt, aus der Trauer herauszufinden?"
Nicht alleine in der Trauer sein
Informationen und Angebote der Kirche, die Betroffenen durch diese schwere Zeit helfen.