Ärzte, Hebammen und Pflegepersonal sind in besonderer Art und Weise gefordert, wenn eine Geburt zur "Stillen Geburt" wird.
Ärzte, Hebammen und Pflegepersonal sind in besonderer Art und Weise gefordert, wenn eine Geburt zur "Stillen Geburt" wird.
„Stille Geburt“ wird es genannt, wenn ein Baby tot zur Welt kommt. Für die Eltern ist das eine Ausnahmesituation.
Für Ärzte, Hebammen und Pflegepersonal stellen sich in diesen Fällen ganz spezielle Fragen: Wie gestaltet man eine Ankunft, die doch gleichzeitig ein Abschied ist? Wie hilft manden Eltern diese Geburt so zu erleben, dass sie am Ende damit leben können? Und wie unterstützt man sie danach in ihrer Trauerarbeit. Im St. Josef-Krankenhaus in Wien steht den Betroffenen in dieser schwierigen Situation ein speziell geschultes Team zur Seite.
Susanne Heller kommt direkt aus dem Nachtdienst als wir sie zum Interview treffen. Seit vielen Jahren arbeitet sie als Gynäkologin am St. Josef Krankenhaus im 13. Bezirk in Wien. Verhältnismäßig ruhig sei es heute Nacht gewesen, erzählt sie. Nur eine Patientin hatte sie, die sei ganz ängstlich gekommen, weil sie ihr Baby nicht mehr gespürt habe. „Gott sei Dank habe ich mit dem Ultraschall die Herztöne sofort gehabt“, sagt Susanne Heller.
Leider, erzählt sie weiter, sei das nicht immer so. Fehlgeburten kämen vor allem in der frühen Schwangerschaft immer wieder vor. „Wenn das der Fall ist, wird meist bei einer Routineuntersuchung festgestellt, dass das Baby nicht mehr gewachsen ist und kein Herzschlag mehr zu erkennen ist“, sagt Susanne Heller: „Eine Ausnahmesituation für die Frau, aber auch für uns. Wenn die Frau kein Fieber hat, keine Infektionszeichen, können wir sie in dieser Situation erst einmal nach Hausen gehen lassen. 1 oder 2 Tage später kommt sie dann wieder in die Ambulanz, um sich beraten zu lassen, was in ihrem Fall jetzt medizinisch die beste Vorgehensweise ist.“
Bei einer fortgeschrittenen Schwangerschaft sei das Vorgehen etwas anders. „Da kommen Frauen zu uns und haben schon eine gewisse Vorahnung. Sie erzählen dann von verminderten Kindsbewegungen oder davon, dass sie ihr Kind schon zwei Tage nicht mehr gespürt haben“, sagt Susanne Heller. Meist ist es dann die Hebamme, die zunächst einmal ein CTG, eine Wehenmessung, macht und dann die diensthabende Ärztin oder den Arzt holt, die weitere Untersuchungen vornehmen. „Die betroffenen Frauen sind in dieser Situation dann verständlicherweise so richtig versteinert – auch wenn die meisten sagen, dass sie es irgendwie gespürt haben.“
Seit vielen Jahren gibt es für die intensive Betreuung all jener Frauen, die eine Fehl- oder Totgeburt zu verkraften haben im St. Josef Krankenhaus ein Team, das ihnen zur Seite steht. Zwei Gynäkologinnen, eine Kinderfachärztin mit Spezialgebiet Palliativmedizin, die Krankenhausseelsorge, die klinischen Psychologinnen und Psychotherapeutinnen sowie Vertreterinnen des Pflegepersonals sorgen dafür, dass eine optimale Begleitung möglich ist. „Es ist ganz wichtig, dass die Frau gut begleitet wird, denn wie diese Begleitung verläuft, kann das ganze Leben stark beeinflussen – positiv, wie auch negativ“, sagt Susanne Heller. Der Leitsatz des Teams lautet dabei: Wenn man nicht willkommen geheißen hat, kann man auch nicht verabschieden.
Schrittweise werden der Frau dann alle notwendigen Informationen gegeben. Zu den ersten Dingen, die die Frau dabei wissen muss gehört etwa, dass sie das Baby auf natürlichem Weg gebären wird. „Das ist ganz wichtig“, sagt Susanne Heller: „So unwirklich es im ersten Moment auch scheinen mag: Der Schmerz der Geburt ist für die Frau oft ein Teil der Verarbeitung. Der körperliche Schmerz hilft, den seelischen Schmerz zuzulassen und sogar ein bisschen zu bearbeiten.“ Und psychologisch sei es ganz wichtig für die Frau zu wissen, dass ihr Körper es schafft, ein Baby auf die Welt bringen.
„Eine Totgeburt geht auch immer mit einem tiefen Misstrauen in den eigenen Körper einher“, sagt Susanne Heller. Diesem Misstrauen könne mit einer natürlichen Geburt entgegengearbeitet werden. Eine ganz normale Geburt sei es dann aber natürlich trotzdem nicht. „Da ist eine ganz, ganz eigene Atmosphäre im Kreissaal, wenn alle wissen, man kriegt jetzt ein Kind, das nicht leben wird“, sagt Susanne Heller: „Und jeder, der in diesem Moment da ist, weiß, dass die Frau enorme Arbeit leistet.“
Ein Kaiserschnitt sei übrigens nur in absoluten Ausnahmefällen eine sinnvolle Alternative, sagt Susanne Heller: „Ein Kaiserschnitt ist und bleibet ein großer Baucheingriff. Und ich muss mir überlegen, ob ich der Frau eine bleibende Narbe zufüge und sie allen möglichen Komplikationen – bis hin zur Entfernung der Gebärmutter – aussetze und sie hat dann nicht einmal ein Kind, das lebt.“
„Nach der Geburt versuchen wir den Müttern ganz viel Zeit zu geben“, sagt Susanne Heller: „Das Krankenhaus unterstützt uns dabei indem wir die Frau in einem Sonderklassezimmer unterbringen können und so eine gewisse Schutzatmosphäre für die Frau und ihre Begleitperson direkt im Krankenhaus herstellen können. Wir ermutigen die Frau, Zeit mit ihrem Baby zu verbringen, sobald es auf der Welt ist – sie darf es halten, mit ihm reden.“
Die Erfahrung zeige, dass die meisten Eltern ihre Kinder sehen und halten wollen und dass ihnen das gut tue. Nur ganz wenig wollendas nicht. „Das ist dann natürlich auch völlig okay“, sagt Susanne Heller. In jenen Fällen extremer Frühgeburten, wenn das Baby noch Lebenszeichen zeigt und die Frau es nicht halten will, „nimmt es einer von uns, bis wir sicher sind, dass das Baby gegangen ist. Das sind natürlich auch für uns besonders emotionale Momente.“
Ermutigt werden die Eltern im St. Josef Krankenhaus auch, den Kindern einen Namen zu geben. „Einen Namen, der dann nur diesem Kind gehört“, sagt Susanne Heller. Dem verstorbenen Kind werde damit ein Platz in der Familie gegeben – was auch für die Verarbeitung der Situation enorm wichtig sei.
Was nach der Geburt der Kinder in St. Josef außerdem immer gemacht wird, sind Fotos. „Diese Fotos werden den Eltern zur Verfügung gestellt“, sagt Susanne Heller. Manche wollen die Fotos sehen, manche wollen sie nicht sehen. „Für die heben wir die Bilder auf“, sagt Susanne Heller: „Manchmal ist es nämlich so, dass ein Paar auch nach Jahren kommt und sagt, sie hätten jetzt doch gerne einen Blick auf ihr Kind geworfen – darauf wollen wir vorbereitet sein.“
Was das St. Josef Krankenhaus außerdem nach einer Fehl- oder einer Totgeburt anbieten kann, ist, das Kind in einer ganz besonderen Grabstelle am Hütteldorfer Friedhof im Rahmen einer von der Seelsorge organisierten Abschiedsfeier zu bestatten. Die Salvatorianerinnen kümmern sich liebevoll um das Grab. „Die Paare wissen dann, das Baby ist gut aufgehoben“, sagt Susanne Heller: „Für manche ist es leichter zu wissen, hier ist mein Kind begraben – da kann ich hingehen, Blumen hinlegen, eine Kerze anzünden.“ Und hier können sie auch mit anderen hingehen, mit Geschwisterkindern, Großeltern, Freunden und habe einen Platz zu trauern. Das sei auch so ein Hineinnehmen des verstorbenen Babys in die Familie was für die Familien im Verarbeitungsprozess so wichtig sei.
„Natürlich wird eine Stille Geburt nie – auch nicht in der Erinnerung – ein freudiges Ereignis werden“, sagt Susanne Heller: „aber es soll eine gut aufgearbeitete Geschichte werden, eine Geschichte, die sich gut in das Leben, in die Lebensgeschichte integrieren lässt. Und wir wollen dazu tun, was wir tun können.“
In der größten Trauer begleitet und getröstet
Nähere Informationen über die Angebote der Kontaktstelle Trauer unter: 0664/ 842 94 74 oder kontaktstelletrauer@caritas-wien.at
Nicht alleine in der Trauer sein
Informationen und Angebote der Kirche, die Betroffenen durch diese schwere Zeit helfen.