Michael Prüller ist Chefredakteur des "Sonntag" und Kommunikationschef der Erzdiözese Wien. Seit fast 30 Jahren ist er Journalist, Ehemann und Vater und seit kurzem auch Großvater.
Michael Prüller ist Chefredakteur des "Sonntag" und Kommunikationschef der Erzdiözese Wien. Seit fast 30 Jahren ist er Journalist, Ehemann und Vater und seit kurzem auch Großvater.
Medien berichten von einem Brief des Kardinals, der „Druck auf die Pfarren“ machen soll. Wir haben beim Pressesprecher der Erzdiözese Wien, Michael Prüller, nachgefragt:
Gibt es diesen Brief schon?
Michael Prüller: Nein – und es wird ihn auch nicht geben. Kardinal Schönborn hat sich in den vergangenen Monaten schon mehrmals an alle Pfarren der Erzdiözese gewandt, um für die Aufnahme von Flüchtlingen zu werben. Wir sind längst in der Umsetzungsphase und müssen uns schon sehr anstrengen, die erfreulich vielen eingehenden Hilfsangebote in die richtigen Bahnen zu lenken.
Also kein neuer Brief?
Michael Prüller: Was gerade jetzt an die Pfarren geht, ist ein Brief der Bischofsvikare, in dem unser neuer Flüchtlingskoordinator vorgestellt wird und auf die Hilfe eingegangen wird, die die Erzdiözese und unsere Caritas den Pfarren bietet. Natürlich weist dieser Brief – auch ganz im Sinn des Kardinals – darauf hin, dass es ganz einfache Christenpflicht ist, in dieser Situation den Menschen in Not zu helfen, und in welchen Formen das möglich ist.
Gibt es den Druck auf die Pfarren?
Michael Prüller: Es gibt einen Druck, aber der kommt aus der Bibel – weil wir wissen, dass Gott uns Menschen einander anvertraut, damit wir gut zueinander sind. Und mehr, als dass der Papst und der Kardinal sagen, jede Pfarre soll sich für Flüchtlinge engagieren, braucht es auch nicht. Die Pfarren beginnen ja nach der Sommerpause gerade mit dem neuen Arbeitsjahr, und mein Eindruck ist, dass sich alle auch mit der Frage der Flüchtlinge in der einen oder anderen Form befassen. Die Not sehen und darauf reagieren ist ja tausendfach gelebtes Prinzip ohnehin zum Alltag, wenn ich nur an die Essensausgaben, Sozialsprechstunden, Beherbergungen und vieles andere mehr denke.
Der Papst wünscht sich, dass jede Pfarre eine Flüchtlingsfamilie aufnimmt. Will das die Erzdiözese auch so durchsetzen?
Michael Prüller: Zum Durchsetzen fehlen der Diözesanleitung die Machtmittel. Und dass von den vielen sehr kleinen Pfarren, die es in der Erzdiözese gibt, nicht alle selber Flüchtlinge beherbergen können, ist verständlich. Aber es geht darum, dass alle etwas für die Flüchtlinge tun können, und dass dieser Dienst an den Notleidenden zu jenen Aufgaben gehört, die oft in einer größeren Struktur, in einer pfarrübergreifenden Zusammenarbeit, besser bewältigt werden können. Auch darauf geht der Brief der Vikare ein: dass jede Pfarre etwas tun soll, aber wenn möglich und nötig in sinnvoller Zusammenarbeit mit den Nachbarn – Unterbringung, Versorgung, Betreuung, Integration usw. Und man muss auch sagen, dass vor allem größere Pfarren schon jetzt oft mehr als nur eine Flüchtlingsfamilie aufgenommen haben, z.B. Perchtoldsdorf, die in vier Wohnungen 17 Flüchtlinge betreut.
Und wohin soll sich eine Pfarrgemeinde wenden, wenn sie tätig werden möchte?
Michael Prüller: In allen Fragen, angefangen bei: Worauf lassen wir uns da ein? Bis: Wen kann ich rufen, wenn‘s Schwierigkeiten gibt? Ist zunächst einmal unsere Koordinationsstelle mit Rainald Tippow Erstansprechpartner: fluechtlingshilfe@edw.or.at. Es gibt, was mich wirklich freut, im Moment allerdings so viele Hilfsangebote, dass es manchmal ein bisschen Geduld braucht, bis alles geklärt ist.
Wenn man in die Zeitungen schaut, hat man den Eindruck, die Erzdiözese wird jetzt alle leerstehenden Pfarrhöfe sanieren und in Flüchtlingsquartiere umwidmen?
Michael Prüller: Das ist natürlich nicht so. Allein schon deshalb, weil es kaum leerstehende Pfarrhöfe gibt. Und wenn sie leer stehen, hat das einen Grund – dass sie nämlich ohne Riesenaufwand nicht bewohnbar sind. Das kann auch die Erzdiözese nicht so ohne weiteres bewältigen. Aber es gibt oft Kleinigkeiten, die nötig sind, bevor eine Wohnung beziehbar ist, Installationen, Umbauten etc. Hier wird die Erzdiözese die Pfarren auch finanziell unterstützen, wie dies in anderen Diözesen ja auch der Fall ist.
Alles in allem also kein Grund zur Aufregung?
Michael Prüller: Wie man’s nimmt. Die Unterbringung von 1.000 Flüchtlingen in kirchlichen oder von der Kirche organisierten Wohnräumen kriegen wir hin. Wahrscheinlich sogar bald noch mehr. Dann kommt aber der Alltag und damit die größere und anhaltendere Herausforderung: Wie integrieren wir die Menschen? Auch hier sind die Pfarren mit ihren sozialen Netzen und ein ganz wesentlicher Schlüssel dafür, dass das Zusammenleben gelingt. Das ist also eine große Aufgabe, die uns noch lange beschäftigen wird.