Neben der Transitunterbringung und der dauerhaften Unterbringung beschäftigt den Flüchtlingskoordinator der Erzdiözese Wien, Rainald Tippow, derzeit die mittelfristige Unterbringung von Menschen über den Winter.
Neben der Transitunterbringung und der dauerhaften Unterbringung beschäftigt den Flüchtlingskoordinator der Erzdiözese Wien, Rainald Tippow, derzeit die mittelfristige Unterbringung von Menschen über den Winter.
Der Flüchtlingskoordinator der Erzdiözese Wien, Rainald Tippow über das Motivieren sich in den Pfarren zu engagieren.
Im Gespräch mit erzdiözese-wien.at schildert der Flüchtlingskoordinator der Erzdiözese Wien, Rainald Tippow, was bisher in der Hilfe für geflüchtete Menschen erreicht wurde, was es weiter zu tun gilt und warum der „Integrationstag“ der Erzdiözese Wien am 5. Dezember wichtig ist.
erzdiözese-wien.at: Vor acht Wochen startete die Akutbetreuung für geflüchtete Menschen auch in der Erzdiözese Wien. Wo war man zu Beginn, wo steht man heute?
Rainald Tippow: Nachdem der ursprüngliche Auftrag erfolgt ist, dauerhaftes Wohnen für Menschen auf der Flucht in Wiener Pfarren zu ermöglichen, ist praktisch zeitgleich diese ganz große Flüchtlingswelle losgebrochen. Das heißt, es war in der ersten Phase gar nicht möglich dauerhafte Wohnplätze zu besiedeln, sondern es ist zuerst um das Transit-Wohnen gegangen. D.h. für Menschen, die auf ihrem Weg, der Flucht in den Norden Europas, nach Deutschland oder Schweden durch Österreich gekommen sind. Und da haben Wiener Pfarren 15.000 Menschen beherbergt.
erzdiözese-wien.at: Wie sieht es nun mit der Schaffung dauerhafter Quartiere aus?
Rainald Tippow: Wir sind hier in den Mühen der Ebene angekommen. Wir haben auf der einen Seite eine ganze Reihe von hochaktiven Pfarren, die nicht nur eine, sondern mehrere Flüchtlingsfamilien aufnehmen. Wir haben einige Pfarren, die Stellplätze für Container zur Verfügung stellen. Wir haben viele Pfarren, die sagen, da müssen wir unbedingt etwas tun, auch wenn wir unmittelbar niemanden unterbringen können. Derzeit haben wir in 60 Pfarren Wohnräume besiedelt. Etwas mehr als 150 Personen sind hier dauerhaft untergekommen. Dauerhaft heißt für ein Jahr und länger. Teilweise mit einer ganzen Reihe von Begleitmaßnahmen. Es geht nicht nur um den unmittelbaren Wohnraum, es geht sehr oft um Lernbegleitungen, Deutschkurse, Kindergartenplätze, diverse Adaptierungsmaßnahmen. Eine große Bandbreite an Maßnahmen, die hier notwendig sind.
erzdiözese-wien.at: Die Zielsetzung lautet ja: Schaffung von 1.000 permanenten Plätzen für Flüchtlinge. Das heißt, es gibt noch viel Luft nach oben. Wie motivieren Sie Pfarren sich dabei zu engagieren?
Rainald Tippow: Ein ganz wesentlicher Punkt ist, dass ein Zeichen des Christlichen immer darin gelegen ist, für alle Menschen da zu sein. Aus der Grundidee, Gott ist Mensch geworden, und die sekundäre Zuschreibung, woher kommt jemand, welche Hautfarbe hat jemand, welche Religion, welche Weltanschauung, welches Geschlecht usw. , dass alle diese Aspekte keine Rolle spielen dürfen. Wir sind eines der reichsten Länder der Welt. Wenn ich mir ansehe, dass etwa der Libanon, der so groß wie Tirol ist, im letzten Jahr mehr Flüchtlinge aufgenommen hat, als die gesamte Europäische Union, und ich dann bei uns höre, wir können das nicht, weil wir können uns das nicht leisten, dann ist das einfach zynisch. Das ist zynisch den Menschen gegenüber und gegenüber dem Evangelium. Ich möchte aber immer sehr genau differenzieren.
Es gibt viele, die etwas tun, und es gibt viele, die ihr Herz am rechten Fleck haben. Es gibt viele Menschen, die mit Kirche wenig zu tun gehabt haben, aber dieses Evangelium begriffen haben, die sich auch in Pfarren engagieren für Menschen auf der Flucht. Ich denke, hier ist noch einiges zu tun. Ich bin hier durchaus ein Zerrissener. Ich erlebe, wie viele sich sehr anstrengen und wie viele wenig tun. Ich habe auch dann und wann sehr zynische Rückmeldungen, wo man schon auch sagen muss, ist hier das Evangelium in seiner Tragweite auch begriffen worden? Ich möchte das nicht verallgemeinern, aber das gibt es sehr wohl.
Vor kurzem hat mir Kardinal Montenegro, in dessen Diözese Lampedusa liegt, gesagt: „Wenn ich als Priester vor einer Hostie stehe, kann ich nicht sagen, ist hier Christus anwesend, oder nicht. Denn die Hostie kann konsekriert sein, oder nicht. Wenn vor mir aber ein Flüchtling steht, dann weiß ich immer, hier ist Christus anwesend.“ Ich denke mir, wenn ein Kardinal das sagt, dann wäre das doch eine Maßeinheit, die man hernehmen könnte. Genauso wie die Aussage von Papst Franziskus: „Jede Pfarre in Europa soll eine Familie auf der Flucht aufnehmen.“
erzdiözese-wien.at: Ab 15. November tritt in Österreich das „Asyl auf Zeit“ in Kraft. Damit wollen die politisch Verantwortlichen Flüchtlingen aus den Kriegsgebieten im Nahen Osten einen temporär begrenzten Flüchtlingsstatus verleihen. Nichtregierungsorganisationen haben dies unisono kritisiert. Was ist ihre Meinung?
Rainald Tippow: Wenn ich mir ansehe, wie lange Verfahren dauern, auch bei Menschen wo es vollkommen klar ist, die aus Kriegsgebieten kommen, und ich mir dann überlege, dass ja dann noch ein zusätzliches Verfahren nach drei Jahren kommt, kann ich mir nicht vorstellen, wie das technisch ablaufen soll. Ich würde mir vielmehr wünschen, dass die Energien in Integrationsmaßnahmen, in Begleitmaßnahmen weiterlaufen, statt in Gesetze, die wahrscheinlich so nicht exekutierbar sind. Ich glaube, dass es hier eher darum geht, eine gewisse Abschreckung auszusprechen, bei der Dauer von Verfahren, die wir derzeit haben. Ich kann mir nicht vorstellen, wie das funktionieren soll.
erzdiözese-wien.at: Haben Sie Sorge um die Menschen, die sich dann auch in der kalten Jahreszeit auf die Flucht begeben?
Rainald Tippow: Neben der Transitunterbringung und der dauerhaften Unterbringung beschäftigt uns derzeit diese mittelfristige Unterbringung von Menschen über den Winter. Wir sind auf der Suche nach Pfarren, die sagen, sie können sich vorstellen für fünf, sechs Monate Flüchtlinge unterzubringen, damit niemand in unserem Land im Freien sein muss, wenn es Minustemperaturen hat.
erzdiözese-wien.at: Und das Vorhaben von 1.000 fixen Unterbringungsplätzen im Bereich der Erzdiözese Wien wird man schaffen?
Rainald Tippow: Ja natürlich. Wir geben die Hoffnung nicht auf. Wir werden das schaffen. Wir müssen schon auch sehen, wie viel in einem nicht zählbaren Bereich geschieht. Pfarren, die sich anderweitig engagieren in der Flüchtlingsfrage ohne unmittelbare Unterbringung. Christinnen und Christen, die Flüchtlinge begleiten und betreuen in Grundversorgungseinrichtungen z.B. der Caritas. Hier geschieht schon auch sehr viel. Ich denke trotzdem, dass wir in unseren 660 Pfarren in der Erzdiözese Wien es schaffen sollten, dass 1.000 Menschen untergebracht werden. Ich bin da zuversichtlich.
erzdiözese-wien.at: Am 5. Dezember 2015 bietet die Erzdiözese Wien einen Integrationstag im Kardinal König-Haus an. Damit möchte man Menschen, die sich in der Integration engagieren wollen, motivieren und ihren Mut stärken. Warum ist das wichtig?
Rainald Tippow: Ich denke, dass dieser Integrationstag eine gute Plattform, eine gute Informationsquelle dafür sein kann, was man tun kann. Ich glaube, dass es sehr gut ist, dass sich auch Pfarren und die interessierte innerkirchliche Öffentlichkeit vernetzt. Dass man sich austauscht. Die Beherbergung von Menschen auf der Flucht ist keine ganz triviale Sache. Ich möchte das überhaupt nicht auf die leichte Schulter nehmen. Ich kenne es auch selber von meiner ehrenamtlichen Tätigkeit. Das ist herausfordernd, aber es ist unglaublich bereichernd. Ich glaube, man kann es sehr professionell machen, auch im ehrenamtlichen Bereich. Ehrenamtlichkeit ist kein Widerspruch zu Professionalität. Ich glaube, dass solche Veranstaltungen, wie der Integrationstag am 5. Dezember ein guter Weg sein können.
Information zum "Integrationstag der Erzdiözese Wien am 5. Dezember 2015
Helferinnen und Helfer für die Notquartiere in Pfarrhöfen gesucht!
Schwerpunkt zum Thema Flucht und Asyl auf erzdioezese-wien.at
Asylhilfe Überblick Österreichweit
Weltweit sind 60 Millionen Menschen auf der Flucht. Sie fliehen vor Hunger oder Krieg, vor Verfolgung und Mord. Die Caritas versucht diesen Menschen nicht nur hier, sondern auch in ihren Herkunfsländern direkt zu helfen:
Hier finden Sie gute Erklärungen, warum Menschen auf der Flucht sind, was eine Grundversorgung bedeutet, welche Unterstützung Asylsuchende vom Staat bekommen und wie Sie helfen können.