Edith-Carmen Speiser: Ich wollte mal schauen, wie es mir geht, wenn ich die Fremde bin.
Edith-Carmen Speiser: Ich wollte mal schauen, wie es mir geht, wenn ich die Fremde bin.
Sie verschenken ihre Zeit und sind am Ende selbst Beschenkte: Freiwillige, die sich im Ausland für andere Menschen einsetzen, kehren mit bereichernden Erfahrungen heim.
Wenn ich dieses Jahr mit einem Wort beschreiben müsste, dann wäre das: intensiv.“ Edith-Carmen Speiser hat 12 Monate als Volontärin in Projekten des Jesuitenordens verbracht.
In Uganda und Tansania engagierte sie sich in der Friedensarbeit, in Kolumbien war sie für den Flüchtlingsdienst der Jesuiten im Einsatz.
Sie habe dieses Jahr zwischen Studium und Beruf „verschenken“, ihre Zeit und Energie mit Menschen teilen wollen, die in Armut leben, ausgegrenzt und benachteiligt sind.
„Mein Wunsch war, mich selber und die Welt besser kennen zu lernen“, sagt Edith Carmen-Speiser, „ich habe schon einige Teile der Welt gekannt, aber nichts so richtig intensiv.
Ich wollte mal schauen, wie es mir geht, wenn ich die Fremde bin. Gerade in Tansania und Uganda war das sehr spannend, wenn man als einzige Weisse durch die Straßen schlendert.
Das zu erfahren, war existentiell verändernd. Weil, wenn du selber mal fremd, die ,Andere‘ warst, dann schaust du ganz anders auf die sogenannten ,Fremden‘ bei uns.“ Die Monate in Afrika und Südamerika hat Edith-Carmen Speiser als sehr bereichernd erlebt.
Mit den gleichen Worten – als bereichernd und intensiv – beschreibt Sarah Wildbichler ihren Freiwilligeneinsatz bei den Salesianern Don Boscos in Indien. In der ostindischen Hafenstadt Visakhapatnam verbrachte sie ein Jahr mit Kindern aus Fischerfamilien, viele von ihnen waren Voll- oder Halbwaisen. Sarah Wildbichler bereitete die Kinder auf die Schule vor und gestaltete mit ihnen die Freizeit.
„Das Volontariat ist keine normale Arbeit“, meint die junge Frau, „mein ganzes Leben hat im Projekt statt gefunden, ich habe dort gewohnt, gearbeitet und gegessen.“ Sarah Wildbichler fing ihren Einsatz nur zwei Monate nach ihrer Matura an.
„Als 18-Jährige ohne einschlägige Ausbildung hat mir mit Sicherheit der professionelle Abstand gefehlt. Deshalb ist es mir am Ende des Jahres sehr schwer gefallen, Abschied zu nehmen.“
Seit drei Jahren ist die Tirolerin zurück in Österreich und hat in Wien begonnen zu studieren. „Ich glaube, man entwickelt sich in diesem Volontariatsjahr sehr weiter“, meint Sarah Wildbichler, „man lernt dazu und verändert sich.
Ein Zurück gibt es nicht – aber das würde ich auch gar nicht wollen.“ Die ehemalige Volontärin hat ein starkes Bewusstsein für Ungerechtigkeit entwickelt und das Bedürfnis, darüber zu sprechen und zu helfen: „Es stört mich, wenn Leute sagen, sie seien dankbar, dass es uns so gut geht. Bei mir ist das nicht der Fall, ich habe diese Ungerechtigkeit am Anfang ganz schwer ausgehalten.“
Das Bedürfnis nach einem Ausgleich führte Sarah Wildbichler in das offene Kinder- und Jugendzentrum „Sale für alle“ im dritten Bezirk Wiens.
Hier lernt sie ehrenamtlich mit Kindern, die in der Schule nicht so gut mitkommen, und spielt mit Mädchen und Buben, die in ihrem Zuhause oft nicht die Gelegenheit oder Gesellschaft dazu haben. „Mir hat die Arbeit mit den Kindern gefehlt“, so Sarah Wildbichler, „und ich wollte mich auch in Österreich für Menschen einsetzen, die es nicht so leicht im Leben haben.“
Auch Edith-Carmen Speiser möchte die Erfahrungen, die sie während ihres Freiwilligenjahres in Uganda, Tansania und Kolumbien gemacht hat, einbringen.
Sie ist erst vor zwei Monaten nach Österreich zurückgekehrt. „Ich habe dieses Jahr unter anderem deswegen gemacht, damit ich mich in meinem Lebensstil und auch in meiner Theologie befragen lasse und schaue, wie sich das in anderem Kontext bewährt“, erklärt sie, „es hat sich bewährt und mich bestärkt in der Motivation und dem Wunsch, mich einzusetzen.“
Edith-Carmen Speiser spricht von einer politischen Verantwortung, die jeder einzelne Mensch habe. „Wie ich spreche, mich anziehe, was ich konsumiere – das ist alles politisches Handeln im weitesten Sinn.
Für mich ist das während meines Volontariates noch viel klarer geworden. Und das motiviert mich, Bewusstseinsbildung zu betreiben, in persönlichen Gesprächen, aber auch auf Seminaren und in Vorträgen. Ich möchte meinen Teil dazu beitragen.“
Spiel und Spaß: Sarah Wildbichler verbrachte ihr Volontariatsjahr mit Kindern in Indien.
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• systematische Nachbereitung
• Nutzung der Erfahrungen der Freiwilligen für und in der entwicklungspolitischen Bildungsarbeit
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