Dom Erwin ist einer der bekanntesten Bischöfe Österreichs, auch wenn er am Xingu in Brasilien lebt und wirkt. Er begibt sich dadurch in Lebensgefahr und muss immer von der Polizei begleitet werden.
Seit fast 50 Jahren ist Dom Erwin Kräutler, Bischof der Diözese Xingu, in Brasilien im Einsatz. Für die Indios und die Landlosen hat die katholische Kirche bereits Gewaltiges erreicht, eine Menge gilt es aber noch zu tun. Ihr Engagement für die Entrechteten aber bezahlen allzu viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Bischof Kräutlers mit ihrem Leben.
"Daran haben wir die Liebe erkannt, dass Er sein Leben für uns eingesetzt hat. Auch wir sind es schuldig, unser Leben für die Schwestern und Brüder einzusetzen", zitiert Bischof Kräutler aus dem ersten Johannesbrief. Diesen Text hat er seinerzeit für sein Primizbildchen gewählt - und damit sein Leitmotiv bis heute.
"Ich bin nichts anders als einer, der nach wie vor zutiefst begeistert ist von Jesus, unserem Herrn; und deshalb mache ich meinen Weg." Aus seiner Begeisterung für Christus schöpft Erwin Kräutler die Kraft für seine Arbeit. Vier Jahrzehnte lang ist er schon unterwegs mit den Gläubigen seiner Diözese im Amazonasgebiet. Neben den Aufgaben eines Bischofes und jenen eines Priesters umfassen seine zentralen Arbeitsbereiche den Einsatz für die Rechte der Indigenen und den Erhalt ihres Lebensraumes, des Regenwaldes, sowie den Beistand für versklavte Bauern und Landlose in deren ungleichem Kampf gegen Großgrundbesitzer und ihre Pistoleros. Der "Diener Jesu Christi" - so Kräutlers Wahlspruch als Bischof - ist längst Diener der Menschen - ganz im Sinne seines Herrn.
Kräutler wurde am 12. Juli 1939 in Vorarlberg geboren; nach der Matura trat er in die Kongregation der "Missionare vom Kostbaren Blut" ein und studierte in Salzburg Theologe und Philosophie. Am 3. Juli 1965 wurde er zum Priester geweiht. Noch im selben Jahr ging er als Missionar ins brasilianische Amazonasgebiet. Am 7. November 1980 wurde er von Johannes Paul II. zum Bischof-Koadjutor für die Prälatur Xingu im Bundesstaat Para ernannt, deren Bischof damals sein Onkel Erich Kräutler war. Am 25. Jänner 1981 wurde er zum Bischof geweiht, am 2. September 1981 trat er die Nachfolge seines Onkels an. Die Prälatur Xingu ist mit 350.000 Quadratkilometern und 400.000 Einwohnern (davon nur 3.500 Indianer) die flächenmäßig größte Diözese Brasiliens.
Von 1983 bis 1991 (und wieder seit 2006) wirkte Kräutler auch als Präsident des Indianer-Missionsrates (CIMI) der Brasilianischen Bischofskonferenz. Sein Einsatz galt und gilt der "Option für die Armen". 1983 wurde Kräutler wegen Teilnahme an einer Solidaritätsaktion von der Militärpolizei festgenommen und verprügelt. 1987 wurde der Bischof durch einen inszenierten Unfall schwer verletzt: Ein Kleinlastwagen hatte frontal sein Auto gerammt.
Die Sorge des Bischofs gilt sowohl den Indios als auch den Hunderttausenden marginalisierten Kleinbauern und Landarbeitern seiner Diözese, deren Rechte er gegen die großen agro-industriellen Konzerne verteidigt. Bischof Kräutler ist Träger zahlreicher österreichischer und internationaler Auszeichnungen. In seinen 840 Gemeinden ist der meist leger gekleidete Bischof überaus beliebt. Mit diesem Rückhalt hält er es auch aus, rund um die Uhr von Sicherheitsleuten beschützt zu werden: "Allein bin ich nur in meinem Zimmer und in meinem Büro".
"Ich glaube, dass Gott mit mir ist, dass ich den Weg gehe, den er vorgezeichnet hat, und ich möchte, mit all meinen Schwächen und mit all meinen Unzulänglichkeiten, treu diesen Weg bis zum Ende gehen", sagt Bischof Erwin Kräutler. Die Berufung zu einem geistlichen und zölibatären Leben bezeichnet der Wahl-Brasilianer als "eine der schönsten, die es vielleicht gibt."
Erwin Kräutler hat nie daran gedacht, nach Österreich zurückzukehren. Doch verbunden fühlt er sich seiner ursprünglichen Heimat nach wie vor. Seine Wurzeln solle man nicht abschneiden, meint er: "Ein Baum ohne Wurzeln ist tot." So bestehen rege Kontakte zwischen dem kleinen Alpenland und dem "Kontinent im Kontinent", dem riesigen Brasilien. Von Österreich aus wird der Bischof von Xingu auch in finanzieller Hinsicht gestützt: "Ohne diese Unterstützung meiner Heimat wären viele soziale Initiativen und Projekte und die pastorale Arbeit gar nicht möglich."
Auf die Frage, was wir in den Wohlstandsländern für die Menschen in Armut und Bedrängnis tun können, meint Bischof Kräutler: "Alle Österreicherinnen und Österreicher sollen merken, dass sie nicht allein auf dieser Welt sind." Er ermutigt uns, über die eigenen Grenzen hinauszublicken und uns als Teil dieser Welt zu fühlen - gemäß dem christlichen Grundsatz, dass wir alle Schwestern und Brüder sind. Die Geschwister in der Welt unterstützen, könne man weiters durch den Kauf fair - gerecht - gehandelter Produkte und, fährt der gebürtige Vorarlberger fort, über die Förderung von Organisationen und Kirchen in den betreffenden Ländern: "Ich bin nicht da, um zu betteln, aber ich bin da, um den Leuten zu sagen, dass, wenn es uns gut geht, wir geschwisterlich teilen wollen."
Der Bischof der Prälatur Diözese Xingu im Amazonas-Regenwald erinnerte an das tragische Schicksal seiner Mitarbeiterin Schwester Dorotea Stang, die im Februar 2005 wurde. Kräutler: "Sie hatte einen Traum von einem anderen, einem gerechten und solidarischen Amazonien". Die Ordensfrau aus den USA stehe für zahlreiche Frauen und Männer, die seit den siebziger Jahren und seit dem Bau der "Transamazonica" im Einsatz gegen die fortschreitende Zerstörung des Regenwaldes und im Ringen um eine nachhaltige Entwicklung Amazoniens ums Leben kamen. Erst langsam erwache in der Bevölkerung Widerstand. Das mache Mut, so der Bischof.