Fußballspielende Kinder gehören im Rio zum Straßenbild.
Fußballspielende Kinder gehören im Rio zum Straßenbild.
In Brasilien ist derzeit Winter, doch es hat Temperaturen um 25 Grad Celsius. In Rio de Janeiro, der zweitgrößten Stadt des Landes und Schauplatz des "Weltjugendtags", begeistern Copacabana und Zuckerhut die Touristen. Den Weg abseits der Schönheiten der sechs Millionen-Stadt finden die Besucher selten.
Abseits der Touristenviertel in Rio de Janeiro lebt der Großteil der Einwohner in den Favelas, den Armenvierteln von Rio. Die Salesianer Don Boscos versuchen hier Kindern und Jugendlichen mit Bildung und Sport eine Zukunftschance zu geben.
Favela Jacarezinho, einstmals eines der gewalttätigsten Elendsviertel Rios: Enge Gassen, herunterhängende Stromleitungen, Müllsäcke vor den Häusern, so zeigt sich dem Betrachter die Favela. Seit Herbst 2012 ist zumindest das mit der Gewalt anders. An den Eingangsbereichen und in der Favela sorgen Polizeiposten dafür, dass Gewalt und Drogenkriminalität Einhalt geboten werden. Zwischen 30.000 und 70.000 Menschen leben hier, eine genaue Zahl gibt es nicht. Jugendliche wurden hier früher als Boten und Kuriere für das Drogengeschäft angeheuert, nun sind sie mit ihren Motorrädern als Taxifahrer unterwegs.
In der Favela Jacarezinho - übersetzt "kleines Krokodil" - die knapp einen Quadratkilometer groß ist, haben die meisten Menschen keine regelmäßige Arbeit. Viele leben am oder unter dem Existenzminimum. Die Grundversorgung mit Trinkwasser, Strom, Kanalisation oder medizinischer Hilfe ist in einem schlechten Zustand. Mitten drinnen leben Kinder und Jugendliche. "Die Realität der Familien in den Favelas ist eine komplizierte, die wenigsten Familien sind stabil, die Armut hier begünstigt diesen Umstand sehr", beschreibt Padre Carlos Sebastião da Silva die tristen Lebensumstände, denen die Kinder entstammen. Der Salesianerpater leitet die Don Bosco-Schule Santa Rita de Cássia. Seit 44 Jahren versuchen die Salesianer Don Boscos in der Favela Jacarezinho, den Kindern und Jugendlichen eine Zukunftschance durch Bildung zu geben.
22.000 Kinder und Jugendliche haben bisher diese Schule besucht. Täglich kommen 500 Kinder und Jugendliche in die Kinderkrippen oder zum Schulunterricht von der 1. bis zur 8. Klasse. Padre Carlos ist auf den ersten Blick gar nicht als ein solcher zu erkennen, denn er trägt wie die meisten Brasilianer Fußballtrikots statt Hemden. Trotzdem ist er zu 100 Prozent Salesianer, und das beweist auch sein Engagement: "Es geht uns um Bildung und Ausbildung, die drei Dimensionen umfasst: die soziale, die religiöse und die humane Ausbildung. Wir wollen die Kinder und Jugendlichen zu guten Christen und Staatsbürgern bilden", unterstreicht der Padre "Educator", wie er sich selbst bezeichnet. In zwei Schichten wird unterrichtet, vormittags und nachmittags.
Da die finanziellen Umstände, aus denen die Kinder und Jugendlichen kommen, sehr schwierig sind, würde das Bildungsangebot der Salesianer ohne Unterstützung nicht funktionieren. "Die finanziellen Mittel, damit wir diese Bildungshilfe leisten können, setzen sich aus den schulischen Angeboten in der ganzen salesianischen Provinz und aus Spenden aus Brasilien und der ganzen Welt zusammen", erläutert Padre Carlos. Das Auswahlsystem der Schüler erfolgt so: Am Jahresende kommen die Familien zu den Salesianern Don Boscos und füllen einen Inskriptionsfragebogen aus. Basierend darauf kümmert sich eine Sozialarbeiterin darum, diese Daten zu prüfen. In der Folge besucht sie auch die Familien. "Wir wählen die bedürftigsten davon aus, die dann aufgenommen werden", schildert Padre da Silva. Den vollen Betrag des Schulgeldes zahlen nur fünf Schüler in Jacarezinho, 85 bekommen ein Vollstipendium, 140 ein Halbstipendium und der Rest erhält ein Stipendium, das zwischen 20 und 35 Prozent der Kosten ausmacht.
Die Schulklassen im Zentrum der Salesianer Don Boscos liegen eng nebeneinander, da kann es schon vorkommen, dass man von einer in die andere reinhört, was gerade unterrichtet wird. Auf dem Dach ist eine offene Mehrzwecksporthalle eingerichtet. Denn neben der Vermittlung von Bildung gehört auch immer ein Sportplatz zu einer salesianischen Einrichtung. Hier können die Kinder nach Herzenslust Fußball spielen und sich austoben. Das ist wichtig, damit sie ihre Freizeit nicht auf der Straße verbringen müssen.
Den Lehrern in der Don Bosco Schule ist es wichtig, die Kinder und Jugendlichen zum Lerneinsatz zu motivieren. "Mir ist spielerische Pädagogik wichtig, um auch Spaß beim Lernen zu entwickeln", unterstreicht Mathematiklehrer Marcelo, der auch in der Nähe der Favela Jacarezinho wohnt. Das brasilianische Notensystem geht von 0 bis zehn. Zehn ist die beste Zeugnisnote. Um in die nächste Klasse aufzusteigen, benötigt jeder Schüler mindestens die Note sechs. "Wer Gefahr läuft, nicht entsprechend zu lernen, der bekommt Nachhilfe", unterstreicht Lehrer Marcelo, dass die Kinder und Jugendlichen auch neben dem Schulunterricht gefördert werden.
Eine, die nie Nachhilfe nötig hatte, ist die 14-jährige Anna Clara. Sie hat eine hervorragende Zukunft vor sich, denn vor kurzem schaffte sie die Aufnahmeprüfung für eine der besten staatlichen Schulen Brasiliens und wird auch ein Vollstipendium dafür erhalten. Ein wenig Wehmut bringt für sie aber die Tatsache mit sich, ihre Kolleginnen und Freunde in der Don Bosco Schule in Jacarezinho im nächsten Schuljahr verlassen zu müssen: "Ja, auf der einen Seite ist es eine große Freude für mich aufgenommen zu werden, andererseits habe ich hier viele Freunde. Aber es überwiegt die Freude, weil ich eine sehr gute Zukunft für mich sehe." Auf die Frage, was ihr von der Don Bosco Schule in Erinnerung bleiben wird, sagt sie: "Das schönste hier ist die Gemeinschaft und das Interesse der Lehrer für die Schüler. Die Lehrer bekommen gleich mit, wenn irgendetwas nicht passt und interessieren sich für die Schüler, das ist der große Unterschied zu anderen Schulen." Anna Clara möchte später Chemie- oder Bauingeneurin werden.
Einer, der noch etliche Jahre in der Salesianerschule in Jacarezinho in Rio Unterricht bekommen wird, ist der achtjährige Eric. Der Jungkicker zeigt mit dem Fußball bereits jetzt großes Talent, kein Wunder, sein Vater war Profifußballer. Der heute 36-jährige Marcelo kickte bei Olaria, Gremio, wo der nunmehrige brasilianische Teamchef Scolari sein Trainer war, später spielte Marcelo bei Porto Alegre, gemeinsam mit Ronaldinho, die letzten Jahre seiner Profikarriere ließ er in Indonesien ausklingen. Marcelo stammt aus der Favela Jacarezinho. Im Gegensatz zu vielen Wohnungen in der Favela merkt man, dass es der Familie ein wenig besser geht. Doch seit kurzem ist Marcelo arbeitslos. Er war Autospengler, möchte nun sein fußballerisches Wissen aber den Kindern und Jugendlichen zugutekommen lassen, hat aber noch kein konkretes Angebot eines Fußballklubs in Rio als Nachwuchstrainer in der Tasche. Marcelo freut sich, dass sein Sohn Eric bei den Salesianern Don Boscos in die Schule geht: "Hier lernt er die wichtigen Dinge fürs Leben, denn neben der Bildung geht es auch um das Miteinander und die Förderung der Talente jedes Einzelnen, die Salesianer vermitteln diese Werte am besten." Ob sein Sohn wie er einmal Profikicker werden wird, dass lässt Marcelo offen: "Ich helfe ihm natürlich, so manches Kunststück mit dem Ball zu erlernen."
Die 43-jährige Adriana ist pädagogische Koordinatorin bei den Salesianern Don Boscos in Jacarezinho in Rio. Seit mehr als zwei Jahrzehnten arbeitet sie mit. Adriana unterstreicht die Hauptaktionslinie der Arbeit des katholischen Ordens: "Wir wollen den Selbstwert der Kinder und Jugendlichen stärken, damit sie es dann einmal schaffen, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Wir werden nicht müde, das den Kindern und Jugendlichen zu vermitteln."
Unterstützung für die Tätigkeit der Salesianer Don Boscos in Rio de Janeiro kommt vom österreichischen Verein "Jugend Eine Welt". Unter dem Motto "Bildung überwindet Armut" ermöglicht "Jugend Eine Welt" jungen Menschen eine Berufsausbildung sowie Schulbesuch und schenkt Straßenkindern ein neues Zuhause.
Jugend Eine Welt
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