Fußball ist wichtig für die Brasillianer, aber...
Fußball ist wichtig für die Brasillianer, aber...
Fußball und Brasilien: Das ist wie Skifahren und Österreich. Nein, mehr noch. Wenn die Nationalelf spielt, verwandeln sich ganze Straßenzüge in ein gelb-grünes Farbenmeer, Männer, Frauen, Kinder jubeln, weinen, singen, tanzen.
Die WM könnte ein Fest für alle sein. Warum ist sie es nicht?
Flaggen und Fußballsymbole wurden auf den grauen Asphalt der Straßen gemalt, Häuser und Fenster dekoriert. Menschen werfen sich in die Dressen der Nationalspieler oder in schrille Kostüme, auffallende Hüte oder glitzernde Lamettaperrücken auf dem Kopf. Gebannt verfolgen sie das Spiel auf der Großleinwand oder dem kleinen alten Bildschirm vor einem Laden. Es wird mitgefiebert, angefeuert, gelitten. Wenn das eigene Team dann das Runde ins Eckige bringt, kennen Jubel und Verschwisterung keine Grenzen.
Fußball versetzt in Brasilien Massen in Euphorie. Entsprechend groß ist die Freude über die Weltmeisterschaft im Land (12. Juni bis 13. Juli). Allerdings regt sich auch heftiger Protest. Denn viele Brasilianerinnen und Brasilianer sind mit den Schattenseiten des Großereignisses konfrontiert.
In zwölf Städten des Landes wird die Fußball-WM ausgetragen. Hier wurden neue Stadien errichtet oder bestehende vergrößert, Straßen, Schiffs- und Flughäfen sowie Hotels gebaut. Den Baumaßnahmen gingen oft Zwangsräumungen voraus. Viele Siedlungen armer Bevölkerungsgruppen (Favelas) befinden sich in zentralen Stadtteilen und waren den Vorhaben im Weg. „Manche Familien haben überhaupt keine Entschädigung bekommen", berichtet Ute Mayrhofer, Referentin für Bildung und Anwaltschaft bei der österreichischen Dreikönigsaktion (DKA), „manche haben Geld erhalten und manche eine andere Wohnung. Mit dem Geld können sich die Leute keine Unterkunft in ihrer Wohngegend leisten, die Ersatzquartiere befinden sich oft in einem weit entfernten Stadtteil.
Die Kinder können nicht in ihre Schulen, die Eltern erreichen ihre Arbeitsplätze nicht mehr oder nur nach stundenlangen Anfahrtszeiten. Dann sind sie noch seltener zu Hause." Die Kinder haben nicht nur ihr Zuhause, ihre Freunde, Nachbarn und die vertraute Umgebung verloren, sie mussten auch erleben, wie das ohnehin labile Sozialgefüge auseinanderbrach: Die einen wollten Widerstand leisten und um ihre Häuser kämpfen, die anderen nahmen, was geboten wurde, aus Angst, leer auszugehen.
In bestehende Favelas marschierten Polizeieinheiten mit Panzern und Helikoptern ein. Diese „Befriedungsaktionen" sollen Drogenhandel und Gewalt in den Vierteln unterbinden. Tatsächlich sind die Siedlungen sicherer geworden, sogar Touristen können nun dort herumspazieren. Allerdings haben sich die Probleme nur verlagert. „Es besteht kein Interesse an wirklichen Lösungen", meint Ute Mayrhofer, „bei den Drogengeschäften schneiden Politiker und Polizisten mit. Die Frage ist außerdem, wie es nach der WM weitergeht." „Säuberungsaktionen" der Polizei richten sich auch gegen Straßenkinder. Per Gesetz können sie an allen Austragungsorten jederzeit verhaftet und zwangsweile in öffentlichen Einrichtungen untergebracht werden.
Die Fußball-WM in Brasilien ist die bisher teuerste, das steht bereits fest. Über die Summe, die sie verschlungen hat, gibt es unterschiedliche Angaben. DKA-Mitarbeiterin Ute Mayrhofer spricht von 7,9 Milliarden Euro und beruft sich dabei auf Regierungsangaben. Präsidentin Dilma Rousseff hatte ursprünglich zugesagt, es werde kein Cent an öffentlichen Geldern in Stadien investiert werden. „Tatsächlich wurden 97% der Kosten für den Neu- und Umbau der zwölf WM-Stadien aus Steuergeldern bezahlt", sagt Ute Mayrhofer. Bei den Protesten im Vorfeld der WM wurde häufig gefordert, Schulen, Krankenhäuser, öffentliche Verkehrsmittel und Spielplätze nach dem hohen „FIFA-Standard" zu errichten.
Im WM-Rahmengesetz (Lei General da Copa) wurde festgeschrieben, dass alle Schulen Brasiliens während der gesamten WM geschlossen bleiben. Die Schüler würden dem Unterricht ohnehin fern bleiben, so die Begründung. Eigentlich geht es um die Entlastung des Verkehrssystems. Nach massiver Kritik setzte das Unterrichtsministerium die Bestimmung außer Kraft, es obliegt nun den regionalen Schulbehörden, die Tage freizugeben oder nicht. „Sind die Schulen geschlossen, dann gibt es keine Betreuung für die Kinder", erklärt Ute Mayrhofer von der DKA, „und das in einer Zeit, in der viele Eltern mehr arbeiten und sich das Land im Ausnahmezustand befindet. Außerdem bekommen die Kinder in der Schule Essen, gerade für die einkommensschwachen Familien ist das wichtig."
Mit dem Tourismus steigt die Kinderarbeit. Trotz Bemühungen der brasilianischen Regierung arbeiten noch immer 3,7 Millionen Minderjährige regelmäßig. Die Dunkelziffer wird weit höher angesetzt. Brasilien ist zudem stark von Kindersextourismus betroffen. „Hier wird auf Information gesetzt", so Ute Mayrhofer, „die Touristen werden informiert, dass Sex mit Kindern strafbar ist und auch in ihren Heimatländern rechtlich geahndet wird." Der sexuelle Missbrauch Minderjähriger stieg schon im Vorfeld der WM drastisch an, überall rund um die großen Baustellen im Land.
Ein Fest für alle wird die Fußball-WM nicht. Der Protest der brasilianischen Bevölkerung mag vielleicht ein Umdenken anstoßen, bis sich etwas bewegt, wird es sicher noch dauern. Inzwischen wirft Olympia 2016 in Rio de Janeiro seine Schatten voraus.
Der heilige Giovanni Bosco setzte bei seiner Arbeit mit verwahrlosten und straffälligen Jugendlichen auf Sport und Spiel. Diesem Konzept sind die Salesianer Don Boscos und die Don Bosco Schwestern bis heute und in aller Welt treu.
In Brasilien betreuen sie mehrere Projekte, die Kindern und Jugendlichen über den Sport eine Chance für ihr Leben eröffnen. In Rio de Janeiro, Fortaleza, Gravatá, Recife, Petrolina und Penedo, überall findet man in den Don Bosco Projekten einen Sportplatz. Dieser ist ein Ort der Begegnung. Hier treffen die jungen Menschen aus den Favelas oder von der Straße oft zum ersten Mal in ihrem Leben Menschen, die sie mit Wärme, Respekt und Zuneigung behandeln.
Auf dem Sportplatz dürfen sie sein, was sie sind: Kinder. In dem geschützten Umfeld können sie spielen, lachen und sich austoben. Es ist immer jemand da, wenn sie Fragen oder Sorgen haben. Mit der Zeit bauen sie Vertrauen zu den Mitarbeitern der Don Bosco Projekte auf.
Die regelmäßigen Fußballtrainings bringen Stabilität in das oft unstete und unsichere Leben der Straßenkinder und jungen Favelabewohner. Sie lernen, sich an Regeln zu halten, mit anderen im Team zusammenzuarbeiten und einander zu respektieren. Der Sport fördert auch ihr Selbstwertgefühl. Sie beginnen, sich etwas zuzutrauen.
In einem nächsten Schritt wird den Jugendlichen und Kindern eine Ausbildung ermöglicht. Sie können zur Schule gehen oder einen Beruf erlernen. Diese Möglichkeiten sollen die jungen Menschen davor bewahren, in die Drogenszene und die Kriminalität abzurutschen.
Nähere Informationen zu den Projekten der Salesianer Don Boscos und der Don Bosco Schwestern in Brasilien und weltweit finden Sie im Internet unter »www.jugendeinewelt.at«.