Zurück ins Leben

Jänner 2016: Nach einer Geburtstagsfeier geht Alfred Schneider gemeinsam mit seiner Frau nach Hause. Den ganzen Abend schon hat er sich nicht wohl gefühlt. Auf dem Heimweg wird immer deutlicher, dass ihm das Gehen schwer fällt. Seine Frau ruft die Rettung, die ihn sofort ins Krankenhaus bringt.

Schnell wird klar: Ein Schlaganfall ist der Grund für Alfred Schneiders Beschwerden. Neben den Beinen und dem rechten Arm, ist auch die Sprache leicht betroffen. Vier Wochen bleibt er im Krankenhaus, im Anschluss steht die Rehabilitation im Neurologischen Zentrum am Rosenhügel an.

Am Ende dieser Reha-Zeit wird deutlich: Es geht bergauf. Damit sich Alfred Schneider aber alles zurückerobern kann, was der Schlaganfall ihm genommen hat, braucht er weitere Therapie. Sein Hausarzt rät ihm, mit dem Therapiezentrum für Halbseitig Gelähmte (THZ) im 23. Wiener Gemeindebezirk Kontakt aufzunehmen.

Nächstenliebe konkret

Seit 1981 gibt es dieses Therapiezentrum bereits – gegründet von der katholischen Basisgemeinde Endresstraße. „Die Idee, die dahinter steht, war und ist, Nächstenliebe tatsächlich zu leben“, sagt Günter Lenhart. Lucie Schiefthaler, Physiotherapeutin und Mitglied der Basisgemeinde, hatte von den Schwierigkeiten erzählt, die es bei der Betreuung von Schlaganfallpatienten gibt: Dass es nach Erstversorgung und Rehabilitation wichtig ist, die Patienten weiter interdisziplinär zu versorgen, damit sie bestmöglich ins Leben zurückgeführt werden können. Dass es aber genau da enorme Lücken gäbe.

Die Mitglieder der Basisgemeinde beschließen daraufhin das „Therapiezentrum für Halbseitig Gelähmte“ (THZ) zu gründen. „12.000 Behandlungseinheiten hat es seit der Gründung gegeben. In krankenhausferner Atmosphäre bieten wir bestmögliche Therapie, um die durch die Erkrankung ausgelösten Defizite zu mindern“, erzählt Günter Lenhart, seit 1973 Mitglied der Basisgemeinde und seit vielen Jahren Obmann des Vereins, der das THZ betreibt.

Trauma überwinden helfen

5 Physiotherapeuten, 5 Ergotherapeuten und 3 Logotherapeuten begleiten die Patienten. „Wir wollen den Menschen die zu uns kommen Mut machen“, sagt Maria Spiegl, seit vier Jahren Physiotherapeutin im THZ: „Wollen ihnen zeigen: Es gibt ein Leben nach dem Schlaganfall.“

Ein Schlaganfall sei natürlich immer ein besonders traumatische Ereignis, sagt die Therapeutin: „Unsere Patienten finden sich plötzlich in einem völlig neuen Körper wieder. Sind in Bewegung, Handlung und Sprache beeinträchtigt. Da wieder ‚zurückzukommen‘ braucht gute, kompetente Therapie und viel Geduld von allen Seiten.“

Die Therapeuten des THZ helfen vor allem auch dabei, wieder möglichst viel selber machen zu können. Geübt wird deshalb auch an möglichst realen Situationen – etwa in der hauseigenen Küche, oder in der Werkstatt. „Wir versuchen mit den Patienten, Teilziele zu stecken, festzuhalten, was sie wieder können wollen und uns dann langsam dorthin zu arbeiten.“ Auch Hausbesuche, bei denen geschaut wird, was in der Wohnung verändern werden kann, um den Patienten den Alltag zu erleichtern, werden von den Therapeuten gemacht.

Mammutaufgabe Finanzierung  

60 bis 80 Patienten werden derzeit betreut – die Warteliste ist lang. „Eigentlich bräuchte es zehn Zentren wie das unsere“, sagt Günter Lenhart: „Tatsache ist, dass wir nach wie vor in Ostösterreich das einzige ambulante Rehabilitationszentrum sind, das Langzeittherapie für Neurologische Patienten im interdisziplinären Behandlungsteam anbietet.“

Die Therapien im THZ sind für die Patienten bei fast allen Krankenkassen kostenlos. Dem privat geführten ,Gemeinnützigen Verein Therapiezentrum für halbseitig Gelähmte‘ werden seitens der Kassen jedoch nur 71 Prozent der Fixkosten pro Therapieeinheit rückvergütet. Ein Teil dieser nicht vergüteten Kosten kann durch eine Subvention der Stadt Wien gedeckt werden.

„Über € 60.000 müssen wir jedoch jährlich durch private Spenden aufbringen“, so Günter Lenhart. Nur durch die finanzielle Unterstützung der Sponsoren, sowie die monatlichen Spenden der Patienten sei der Betrieb aufrecht zu erhalten.

Alltag zurückerobern

Seit Oktober arbeiten die Therapeuten nun schon mit Alfred Schneider. An Motivation mangelt es dem fröhlichen und lebenslustigen Herrn nicht. Gehen könne er mittlerweile ohne Probleme, erzählt er stolz. Sogar Stufen steigen gehe ganz „ohne Anhalten“ – auch wenn der rechte Fuß „noch nicht ganz da ist“, wie er sagt. „Damit ist es natürlich auch noch schwierig, auf eine Leiter zu steigen – das möchte ich aber unbedingt wieder können. Ich bin so gern im Garten und dort wartet eine Menge Arbeit auf mich“, lacht er. Aber das Allerwichtigste: „Mein Sohn lebt in Monaco, den wollen wir bald wieder mit dem eigenen Auto besuchen können. Ich will ihm das nicht zumuten, uns ständig zu chauffieren“, sagt er: „In absehbarer Zeit wird’s schon wieder funktionieren, dass wir selbstständig hinunterfahren.“