Hl. Thomas von Aquin OP (geboren um 1225, gestorben am 7. März 1274, Theologe, Philosoph und Kirchenlehrer.
Der Interviewgeber: Prof. Dr. Rolf Schönberger, Institut für Philosophie, Universität Regensburg.
Hl. Thomas von Aquin OP (geboren um 1225, gestorben am 7. März 1274, Theologe, Philosoph und Kirchenlehrer.
Der Interviewgeber: Prof. Dr. Rolf Schönberger, Institut für Philosophie, Universität Regensburg.
Philosophie-Professor Rolf Schönberger im Gespräch mit Stefan Kronthaler über Thomas von Aquin, der ein Leben lang über „Wahrheit" nachdachte.
Ist Wahrheit heute dem Menschen noch zumutbar?
Schönberger: Wenn die Wahrheit dem Menschen heute „nicht mehr“ zumutbar wäre, dann müsste man doch eine zutreffende, also wahre Auskunft darüber erhalten, was sich da zugetragen haben soll. Der Mensch hatte wohl immer ein zwiespältiges Verhältnis zur Wahrheit, heute wie ehedem. Er ist neugierig, er will wissen, was geschieht, warum es geschieht – selbst dann, wenn es mit seiner Lebensbewältigung in keinem inneren Zusammenhang steht.
Dem Mensch eignet aber auch eine Neigung zu Kritik und Reflexion: Trifft es wirklich zu, was in Staat, Gesellschaft und Wissenschaft gesagt wird? Aber die Verführbarkeit kommt eben auch nicht von ungefähr. So sehr eine gewonnene Einsicht als Befreiung erlebt werden kann, so sehr kann man auch eine Vorliebe für das Halbdunkel, für unklare Sichtverhältnisse beobachten.
Wahrheit hat offenkundig mit Verbindlichkeit zu tun (M. Claudius: Sie richtet sich nicht nach uns, sondern umgekehrt) und nach Nietzsche hassen die Menschen die Wahrheit gerade „wegen ihrer Bestimmtheit“. Humanität kann für den Menschen keine Zumutung sein. Wollen wir belogen werden? Man kann zumindest gar nicht irren wollen. Wenn uns die Wahrheit als Zumutung vorkäme, sollten wir ernsthaft über das Gefährdungspotential der Alternativen nachdenken: Effizienz, Akzeptanz, Indifferenz.
Was ist die Stärke des Wahrheits-Begriffs bei Thomas von Aquin?
Schönberger: Inhaltlich ist seine Theorie so stark, wie die sog. Adäquationstheorie der Wahrheit (Übereinstimmung der Sache mit dem Verstand), die er vertritt, an Stärke haben kann. Thomas blickt zurück auf eine lange Diskussionsgeschichte mit durchaus verschiedenen Wahrheitsbegriffen. Sein Versuch, diese unterschiedlichen Konzepte zu einer Einheit zu bringen, ist dem Thomas auf erstaunliche Weise gelungen.
Was heißt es nach Thomas, in der Wahrheit zu leben?
Schönberger: Dies ist keine Ausdrucksweise des Thomas. Ein Übersetzungsversuch: Wahrheit tritt in verschiedenen Formen auf: Ein geklärter Sachverhalt, eine gewonnene Einsicht usw. Auch der Glaube ist eine solche Form der Wahrheit. Und wenn es sich um einen wahren Glauben handelt, der mehr ist als eine Überzeugung, nämlich etwas, womit sich ein Mensch identifiziert, dann kann man sagen, er lebe „in der Wahrheit“. Aber der Ausdruck ist doch interpretationsbedürftig.
Es ist ja de facto niemals jeder Zweifel und jedes Missverständnis ausgeschlossen – so als könnte man in der Wahrheit wie in einer behaglichen Wohnung leben. Das Weiterfragen und der Wunsch, die Dinge tiefer zu verstehen, werden durch die gewonnene Gewissheit gerade nicht aufgehoben. Eine solche Gewissheit kann zu einer fraglosen Selbstverständlichkeit werden, aber dass sie erhalten bleibt, ist in diesem Leben nicht garantiert. Der Mensch muss daher noch in einem anderen Verhältnis zum Adressaten seines Glaubens stehen.
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Thomas von Aquin auf Wikipedia
Thomas von Aquin im Heiligenlexikon
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