Im Februar 1996 erhält Schönborn eine ganz besondere Einladung: Papst Johannes Paul II. lädt ihn ein, die Fastenexerzitien für ihn und die römische Kurie zu leiten. Diese Einladung ist nicht nur eine große Ehre für Schönborn, sondern auch ein Zeichen der Anerkennung für sein theologisches und spirituelles Profil, das weit über Österreich hinausreicht. Während der Exerzitien legt Schönborn besonderen Wert darauf, die Verbindung von Glauben, Vernunft und Schöpfung in den Mittelpunkt seiner Meditationen zu stellen. Seine Ausführungen finden große Beachtung und werden schnell in Buchform veröffentlicht.
Schönborn erfährt international Anerkennung, während er zuhause mit Widerständen konfrontiert wird. Konservative Kirchenkreise lancieren Gerüchte, er könnte bald an die römische Kurie wechseln, doch er weist diese Spekulationen entschieden zurück. "Es ist mein Auftrag, Erzbischof von Wien zu sein", erklärt er in einem Interview am 22. März 1996.
Am 29. Juni wird er schließlich von Papst Johannes Paul II. im Petersdom mit dem Pallium des Metropoliten der Wiener Kirchenprovinz betraut. Eine ökumenische Delegation unter der Leitung des Wiener griechisch-orthodoxen Metropoliten Michael Staikos begleitet ihn nach Rom.
Schönborn steht voll und ganz hinter seinem Generalvikar Helmut Schüller, der 1996 die weltweit erste Ombudsstelle für Opfer sexuellen Missbrauchs in der Kirche ins Leben ruft. Betroffene können sich hier anonym melden und auf Schadenersatz klagen, Missbrauch wird systematisch aufgearbeitet. Schüller verfasst Richtlinien für den Umgang kirchlicher Mitarbeiter mit sexuellem Missbrauch. Allerdings sind nicht alle österreichischen Diözesen zu diesem Zeitpunkt schon bereit, dem Wiener Beispiel zu folgen. In den folgenden Jahren entwickelt sich die Ombudsstelle zu einer von der Kirche weisungsfreien Institution mit einem hohen Grad an Professionalität und Vertrauenswürdigkeit sowie mit internationaler Reputation.
Christoph Schönborn bekennt im Nachhinein, dass er selbst gezwungen ist, sich mehr und mehr dem Problem auszusetzen und zu lernen. Und dies bei nicht geringem Widerstand "von innen" und wachsendem Misstrauen gegenüber der Institution Kirche "von außen".
Der Jesuit Klaus Mertens, der Anfang des 21. Jahrhunderts in Deutschland als erster systematisch das Thema in Deutschland angeht, lobt später Schönborn. Dieser habe ihm bei diesem Kraftakt gegen den Widerstand innerhalb der eigenen Kirche sehr geholfen. Fortsetzung 1997
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