Anfang 1999 tauchen neue Gerüchte über eine bevorstehende Berufung Schönborns nach Rom auf. Die wiederkehrenden Falschmeldungen sind offensichtlich. Sie sollen seine Rolle innerhalb der österreichischen Kirche kleinzureden. Ende Jänner 1999 befindet sich Kardinal Schönborn zunächst mit Priestern der Erzdiözese Wien in Freising und unmittelbar danach in Rom, wo er am 26. Jänner im Lateranpalast u. a. mit Kardinal Carlo Maria Martini im Rahmen der römischen Stadtmission einen Dialog mit dem Oberrabbiner Elio Toaff über das Thema "Der Name Gottes" führt.
Kurz nach dem Aschermittwoch des Jahres 1999 kommt es zu einer für viele überraschenden Absetzung von Generalvikar Helmut Schüller. Der damit offenbar werdende Konflikt zwischen dem Erzbischof und seinem "Alter Ego" in der Diözesanleitung führt in der Öffentlichkeit zu einer großen Solidarisierung mit Schüller. Kardinal Christoph Schönborn begründet die Entlassung des Generalvikars in einem handschriftlichen Schreiben an die Mitarbeiter der Erzdiözese Wien. Er bedauert, dass diese Entscheidung den Medien bekannt wird, bevor ein persönliches Gespräch stattfinden kann, und räumt Spannungen und Konflikte ein. Dennoch betont er das Bemühen, Wunden zu heilen und die brüderliche Liebe über menschliches Versagen siegen zu lassen.
Nur wenige Wochen später greift die NATO Serbien an, um den Kosovokrieg zu beenden. In einem Zeitungsinterview betont Schönborn, dass die Kirche auf der Seite der Opfer steht und Verhandlungen als einzige Lösung unterstützt. Er hebt hervor, dass Österreich seine Neutralität bewahren, aber dennoch Verantwortung übernehmen muss, insbesondere durch Aufnahme von Flüchtlingen und Unterstützung der Hauptaufnahmeländer wie Albanien und Mazedonien. Er lobt die Hilfsbereitschaft der Österreicher, warnt aber auch vor undifferenzierten Vorwürfen der Ausländerfeindlichkeit.
Am 12. Mai verleiht die Prager Karls-Universität Kardinal Christoph Schönborn das Ehrendoktorat in Theologie. Die Auszeichnung erfolgt für seine herausragenden Verdienste um die katholische Theologie. Im Anschluss an die feierliche Zeremonie im "Karolinum" hält Schönborn einen Vortrag über das "Theologische Profil des neuen Weltkatechismus" und feiert einen Gottesdienst im Veitsdom.
Zwei Wochen darauf führt er mit dem russisch-orthodoxen Metropoliten Kyrill von Smolensk im Wiener Erzbischöflichen Palais ein Vier-Augen-Gespräch über den Kosovokrieg und die katholisch-orthodoxe Ökumene.Kyrill ist eigens für eine ökumenische Konferenz zu Kosovo und Jugoslawien nach Wien gekommen. Er lobt die russische Übersetzung von Schönborns Buch "Die Christus-Ikone" und betont dessen Bedeutung für orthodoxe Theologen und Laien.
Anfang Juli reist Kardinal Christoph Schönborn als erster westeuropäischer Kirchenführer in den vom Krieg gezeichneten Kosovo. Er wird Brücken zwischen den religiösen Gemeinschaften schlagen und die Versöhnung vorantreiben. Bei Treffen mit Patriarch Pavle I., Bischof Marko Sopi und Mufti Rexhep Boja verurteilen die Führer gemeinsam die Gewalt und fordern ein Ende von Racheakten.
Kardinal Christoph Schönborn wird Sri Lanka besuchen, um die katholische Minderheit zu stärken und den interreligiösen Dialog mit dem Buddhismus zu vertiefen. Eingeladen von Bischof Malcolm Ranjith von Ratnapura, steht seine Reise im Zeichen der Begegnung mit einer Kirche, die neue Wege der Verkündigung sucht.
Im Oktober nimmt Kardinal Schönborn gemeinsam mit Erzbischof Eder und Bischof Kapellari an der Europasynode im Vatikan teil. In seinem Beitrag plädiert er mit Nachdruck für eine "Europäisierung" der Europäischen Union und eine Integration, die die Spaltungen zwischen Ost und West überwindet. Er betont die Notwendigkeit einer "seelischen Heilung" historischer Wunden, darunter die Verbrechen des Kommunismus, die Trennung von Ost- und Westkirche und der Antisemitismus. Für eine echte Einheit fordert er ein reines Gedächtnis der Märtyrer und gegenseitige Vergebung. Schönborn betont die entscheidende Rolle der Ostkirche als "Lungenflügel" Europas und ihre herausragende Fähigkeit, durch die Kirchenväter, das Mönchtum und die Liturgie den christlichen Westen zu bereichern. Gleichzeitig betont er, dass der Westen der Ostkirche dabei hilft, das Nationalkirchentum zu überwinden und gesellschaftlich wirksamer zu werden. Der Wiener Erzbischof betont zudem die jüdischen Wurzeln des Christentums, die für die Überwindung der Spaltung von Ost und West von entscheidender Bedeutung sind. Er unterstreicht die Notwendigkeit einer umfassenden Versöhnung und zitiert dabei den Papst sowie den Denker Wladimir Solowjew. Fortsetzung 2000
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