Das Hl. Jahr 2000 beginnt in Österreich mit Konflikten rund um die Koalition von ÖVP und FPÖ. Sie provoziert scharfe Reaktionen im In- und Ausland. Kardinal Christoph Schönborn sucht Wege zur Entspannung und nutzt Kontakte im Bereich der Kirche. Der Theologe Paul Zulehner würdigt im Nachhinein Schönborns Vermittlung. Der Erzbischof stehe für Besonnenheit und Dialog und hoffe auf Ausgleich in einer Zeit voller Spannungen. Schönborn erwartet sich von der umstrittenen neuen Regierung dezidiert einen klaren Lebensschutz von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod sowie eine Fokussierung auf die Themen Familie, Arbeit und Integration. Er verzichtet auf Parteinahme, doch er nimmt Stellung bei Fragen zum Miteinander.
Kardinal Schönborn und Kardinal König verfassen eine gemeinsame Erklärung, in der sie eine Zeit der Prüfung und Zerrissenheit beklagen. Sie erinnern daran, dass in allen Parteien Christen engagiert sind, und appellieren an diese, das Gemeinwohl über Parteinteressen zu stellen. Die Kardinäle fordern die gemeinsame Anstrengung, Gräben zu überwinden. Sie bejahen Pluralität, weil sie Vielfalt als Ressource sehen, und rufen zu Wachsamkeit auf, da jede Form von Hass den Zusammenhalt der Gesellschaft bedroht.
Kardinal Christoph Schönborn setzt ein klares Zeichen: Inmitten der politischen Spannungen in Österreich will er europäische Bischöfe und Politiker aktiv über die Lage informieren. Dabei ruft er die Kirche auf, Sprache und Handeln mit größter Sorgfalt zu gestalten und sich entschieden für die Würde und Rechte der Menschen einzusetzen. Um Solidarität und Hoffnung zu stärken, lädt er zum wöchentlichen „Gebet für Österreich“ in den Stephansdom ein.
Mitten in den politisch und gesellschaftlich turbulenten Zeiten zu Hause macht sich Schönborn im Februar 2000 auf eine Reise nach Nigeria. Schon bei seiner Ankunft in Lagos wird klar: Der Kardinal bringt nicht nur Worte, sondern auch Taten der Solidarität mit – eine Verbindung, die weit über die Grenzen Österreichs hinausreicht. Er besucht mehrere Diözesen, darunter Onitsha, Ibadan, Awka und Enugu. Besonders im Fokus steht die Diakonweihe in der Kathedrale von Ibadan, wo er gemeinsam mit Erzbischof Felix Job am 12. Februar neue Diakone weiht. Ein emotionaler Höhepunkt seiner Reise ist die Eröffnung der „Aaron-Ekwu-Memorial-Clinic“ in Akpugoeze, benannt nach einem nigerianischen Priester, der in Wien studierte und dort geweiht wurde. Der Kardinal verlässt Nigeria mit der Überzeugung, dass die Zusammenarbeit zwischen Europa und Afrika nicht nur fortgesetzt, sondern intensiviert werden muss – eine Botschaft, die weit über die Kirche hinaus wahrgenommen wird.
Von Nigeria zurück, nimmt er am 24. März an der historischen Papstreise zum Heiligen Jahr nach Israel teil und konzelebriert den Gottesdienst mit Papst Johannes Paul II. auf dem Berg der Seligpreisungen. Der Papst feiert dort mit über 100.000 jungen Katholiken aus aller Welt einen Gottesdienst, bei dem die Bergpredigt Jesu und die Nächstenliebe im Mittelpunkt stehen.
„Wien ist anders – Gott auch“: Stadtmission 2000 bringt den Glauben in die Stadt
Am 31. März verwandelt die „Stadtmission 2000“ Wien zehn Tage lang in einen Ort lebendigen Glaubens und offenen Dialogs. Unter dem Motto „Wien ist anders – Gott auch“ bringt die Dompfarre St. Stephan gemeinsam mit 100 jungen Missionaren der Gemeinschaft Emmanuel die Botschaft des Glaubens dorthin, wo das Leben pulsiert – auf Straßen, in Cafés und sogar in Wohnungen. Das Ziel: Menschen zu erreichen, die sonst kaum Kontakt zur Kirche haben. Das Programm der Stadtmission ist so vielfältig wie die Menschen, die sie ansprechen möchte. Die Eröffnung mit dem „Longfield Gospel Choir“ auf dem Stephansplatz zieht Hunderte Besucher an. In Talk-Runden teilen prominente Katholiken wie Maria Loley oder Abt Gregor Henckel-Donnersmarck ihre Glaubenserfahrungen in Wiener Kultcafés. Besonders beeindruckend ist der „Große Abend der Barmherzigkeit“, bei dem 20 Priester, darunter Kardinal Christoph Schönborn, bis Mitternacht Berichte hören – rund 1.500 Menschen nehmen teil, darunter viele, die lange keinen Kontakt zur Kirche hatten. Ein Zelt-Café auf dem Stephansplatz wird zum Treffpunkt für Gespräche über Gott und das Leben.
Ende Mai besucht Kardinal Christoph Schönborn Rumänien, wo er die Ehrendoktorwürde der Universität Bukarest entgegennimmt. In seiner Dankesrede hebt er die unermesslichen Schätze hervor, die die Ostkirche dem Westen geschenkt hat – von den Kirchenvätern über die Spiritualität bis zur Liturgie, die auch das Zweite Vatikanische Konzil tief geprägt haben. Ein Höhepunkt seines Aufenthalts ist die Begegnung mit Straßenkindern im Haus „Sf. Paul“, die ihn tief beeindruckt. Für Schönborn wird klar: Die Kirche muss über Grenzen hinweg Brücken bauen, um den Glauben zu erneuern und Hoffnung zu schenken – besonders in einer Welt, die noch immer von den Wunden der Geschichte gezeichnet ist.
Kardinal Christoph Schönborn spielt eine zentrale Rolle beim 47. Eucharistischen Weltkongress in Rom, der vom 18. bis 25. Juni 2000 als bedeutendste Veranstaltung des Heiligen Jahres stattfindet. Zu diesem internationalen Treffen unter dem Motto „Jesus Christus – einziger Erlöser der Welt. Brot für das neue Leben“ werden rund 300.000 Gläubige aus aller Welt sowie Delegationen aus 90 Bischofskonferenzen erwartet. Kardinal Schönborn hält eine vielbeachtete Katechese zu „Eucharistie, Umkehr und Versöhnung“.
Kardinal Christoph Schönborn inspiriert beim Weltjugendtreffen 2000 im August in Rom Tausende junger Pilger. In seiner Katechese in seiner Titelpfarre „Gesu Divino Lavoratore“ begeistert er Jugendliche aus Österreich, Deutschland, der Schweiz und Osteuropa. Besonders bewegt zeigt sich der Kardinal von den österreichischen Jugendlichen, die stundenlang durch Rom pilgern, um die Heilige Pforte zu durchschreiten – ein starkes Symbol für ihren persönlichen Glauben. „Eines ist sicher“, sagt Schönborn mit Nachdruck, „diese Art von Treffen berührt die Herzen junger Menschen wie kaum etwas anderes.“ Der Wiener Erzbischof sieht im Weltjugendtag nicht nur eine persönliche Glaubenserfahrung, sondern auch eine Bühne für globale Freundschaft und Versöhnung.
In seiner Predigt bei der Wallfahrt des Niederösterreichischen Bauernbundes nach Mariazell Ende September 2000 betont der Kardinal, dass die Erweiterung der Europäischen Union nicht nur eine wirtschaftliche, sondern vor allem eine kulturelle und geistige Aufgabe ist. Mariazell, seit Jahrhunderten ein Ort der Begegnung für Menschen aus Ost- und Mitteleuropa, stehe symbolisch für das, was Europa ausmacht: Offenheit, Vielfalt und das Hinhören aufeinander. „Wir müssen wieder eine wahre Völkerfamilie werden“, ruft Schönborn eindringlich. Dabei plädiert der Wiener Erzbischof für einen Austausch auf Augenhöhe, der die gängigen Klischees über Osteuropa überwindet.
Kurz darauf wird deutlich, was Schönborn konkret meint: Er bringt zwei Welten an einen Tisch: EU-Kommissionspräsident Romano Prodi und den serbisch-orthodoxen Patriarchen Pavle I. Im prunkvollen Konsistorialsaal des Wiener Erzbischöflichen Palais wird Geschichte geschrieben. Hier, wo sonst der Glaube im Mittelpunkt steht, geht es nun um Diplomatie, Versöhnung und die Zukunft eines geeinten Europas. Prodi, extra aus Brüssel angereist, spricht Klartext: „Europa und Serbien finden heute nach einer langen, schmerzhaften Trennung wieder zueinander.“ Das Treffen in Wien ist ein Wendepunkt. Prodi betont, dass Europa ohne Serbien nicht vollständig ist. Österreich, so Schönborn, müsse seine Rolle als Vermittler zwischen Ost und West stärker wahrnehmen.
Kardinal Schönborn: Aufruf zur Versöhnung zwischen Österreich und Tschechien
Wenige Tage nach dem historischen Treffen mit Patriarch Pavle betont der Kardinal bei der Diözesanwallfahrt nach Tasswitz, dem Geburtsort des Wiener Stadtpatrons Klemens Maria Hofbauer, die Notwendigkeit, die Wunden der Vergangenheit zwischen Österreich und Tschechien zu heilen.
Kardinal Christoph Schönborn eröffnet am 23. Oktober 2000 im Chiostro del Bramante in Rom die Ausstellung „Visionen aus dem Inferno“, eine Sammlung bewegender Werke des Auschwitz-Überlebenden Adolf Frankl. Im Rahmen des Heiligen Jahres erinnert Schönborn in seiner Ansprache daran, dass „ohne das Gedenken an die unsäglichen Verbrechen der Vergangenheit kein Atmen und keine Zukunft möglich ist“. Die Ausstellung, die eindrücklich die Schrecken der Shoah schildert, stehe im Kontext der großen Vergebungsbitte von Papst Johannes Paul II. und wolle Brücken zwischen Religionen und Generationen bauen. Schönborn hebt die besondere Bedeutung der Shoah hervor, als Versuch, „das auserwählte Volk Gottes zu vernichten“, und mahnt, dass die Worte Kains – „Bin ich der Hüter meines Bruders?“ – nie wieder gesprochen werden dürfen.
Pünktlich zum Abschluss des Heiligen Jahres erscheint Kardinal Christoph Schönborns neues Werk „Wege des Betens – Das Gebet im Katechismus der Katholischen Kirche“ im Wiener Dom-Verlag. Entstanden ist der schönste Teil des Weltkatechismus, der das Gebet thematisiert, unter dramatischen Umständen: Während des Libanon-Krieges, mitten im Chaos von Bomben und Zerstörung, arbeiteten Bischöfe an diesen tief spirituellen Texten. Fortsetzung 2001
Datenschutzeinstellungen
Auf unserer Webseite werden Cookies verwendet für Social Media, Analyse, systemtechnische Notwendigkeiten und Sonstiges. Sie können Ihre Zustimmung später jederzeit ändern oder zurückziehen.