Der Erzbischof von Philadelphia, Charles Chaput, hat vorgeschlagen, angesichts des Missbrauchsskandals in den USA die Jugendsynode abzusagen. Können Sie dem etwas abgewinnen?
Stephan Turnovszky: Das wäre kein gutes Signal an die Jugend der Welt. Die jungen Menschen wollen ohnehin Themen wie Transparenz in der Kirche diskutieren. Wenn man sich von aktuellen Ereignissen vom Thema abbringen lässt, wäre wohl nie Zeit, über die Jugend zu sprechen.
Papst Franziskus holt die Spitzen aller Bischofskonferenzen für Ende Februar nach Rom, um bei der Missbrauchsbekämpfung entschieden voranzukommen. So ein Treffen ist wohl auch viel besser dazu geeignet als eine doch sehr förmlich ablaufende Synode.
Auch so ist das Arbeitsdokument der Synode mit Vielem gefüllt: Während mancherorts Jugendarbeitslosigkeit ein Problem ist, geht es anderswo um Korruption.
Bei uns sind Mitsprache und Sexualmoral Themen. Wird die Synode zu einer umfassenden Antwort kommen können?
Turnovszky: Ich war da auch skeptisch, habe aber nach einem Gespräch mit Österreichs Vertreterin bei der Vorsynode, Eva Wimmer, Hoffnung geschöpft.
Sie hat erzählt, dass die Jugendlichen, die sich getroffen haben, bald zu den großen, gemeinsamen Themen gekommen sind: Alle möchten, dass es jungen Menschen auf der Welt gut geht; alle sind für Mitbestimmung und Teilhabe; allen ist der Einsatz für Gerechtigkeit wichtig.
Weitere gemeinsame Themen waren moderne Kommunikationsmittel, Gestaltung von Beziehungen, Bildung und Einstieg ins Berufsleben. All das betrifft junge Menschen überall, auch wenn die Detailfragen sich unterscheiden.
Thema der Synode ist „Berufung“ – nicht nur zu Priestertum oder Ordensleben, sondern allgemein zu einem guten Leben.
Das Arbeitsdokument räumt ein, dass das missverständlich ist. Wäre weniger „Kirchensprache“ nicht besser?
Turnovszky: An „Berufung“ gefällt mir gut, dass der Begriff eine Beziehung zu Gott anspricht: Es gibt jemanden, der ruft, und jemanden, der gerufen wird. Der Ruf hat zum Inhalt, so zu leben, dass das Leben fruchtbar wird, dass einer dem anderen zu einem guten Leben verhilft. Ich bin auch offen für ein anderes Wort als „Berufung“, wenn wir ein passenderes finden.
Papst Franziskus ruft die Jugend immer wieder auf, sich zu engagieren. Andererseits heißt es oft, Jugendliche seien wenig an der Gesellschaft interessierte Individualisten. Was sagen Sie?
Turnovszky: Ich stimme dem nur bedingt zu, denn ich finde, die gesamte Gesellschaft und nicht nur die Jugend zieht sich individualisiert zurück. Viele Menschen wollen in erster Linie ein gemütliches, ungestörtes Leben führen.
Beim Weltjugendtag in Krakau hat der Papst dazu aufgefordert, „vom Sofa aufzustehen“, sich einzubringen. Gerade unter gläubigen Jugendlichen gibt es sehr viele Engagierte, und zwar in verschiedenen Bereichen: Ökologie, soziale Gerechtigkeit, für das ungeborene Leben oder für benachteiligte Menschen ...
Muss man sich da zwischen einer stark sozial aktiven Katholischen Jugend und charismatischen Gruppen, wie sie neben anderen in JAKOB (Jugend-Apostolate Katholischer Orden & Bewegungen) zu finden sind, entscheiden?
Turnovszky: Wir brauchen junge Menschen, die sich sowohl sozial als auch spirituell engagieren. Ich nehme wahr, dass die Sensibilität für so ein ganzheitliches christliches Leben bei allen Beteiligten steigt.
Dessen ungeachtet soll es immer möglich bleiben, entsprechend dem eigenen Charisma Schwerpunkte zu setzen.
„Mehr Mitbestimmung, Transparenz und Mut zur Veränderung“ fordert die österreichische Katholische Jugend in einer Synodenerklärung mit ihren deutschen, Schweizer und Südtiroler Kollegen.
Es geht auch um Geschlechterfragen und den Zugang zu Weiheämtern. Was sagen Sie dazu?
Turnovszky: Die Inhalte waren keine Überraschung, denn es ist bekannt, dass sich die Katholische Jugend für die genannten Themen einsetzt. Genauso bekannt ist auch, dass es viele andere junge Katholiken in unserem Land gibt, die davon abweichende Ansichten vertreten.
Mir ist wichtig, mit dem Blick auf Jesus Christus und in Einheit mit dem Papst mutig voranzugehen.
Das Arbeitspapier der Synode räumt ein, dass die kirchliche Sexualmoral viele katholische Jugendliche wenig berührt. Müsste man das nicht auf völlig neue Füße stellen?
Turnovszky: Die „Füße“ katholischer Sexualmoral sind in der Heiligen Schrift zu finden. Diese können wir nicht hintergehen. Vielmehr müssen wir uns laufend fragen, ob die kirchliche Lehre dem biblischen Fundament entspricht.
Die Kirche bleibt davon überzeugt, dass sich erfüllte Sexualität aus der verbindlichen Beziehung zwischen einem Mann und einer Frau mit der Offenheit für Kinder ergibt. Verbindlichkeit entspricht durchaus der Sehnsucht der Jugend, wie Studien zeigen.
Die Verschiedenartigkeit der Geschlechter ist Voraussetzung der Offenheit für neues Leben.
Viele Jugendliche werden aber kein Problem mehr mit gelebter Homosexualität in ihrem Umfeld haben.
Turnovszky: Es ist ganz klar, dass die Kirche homosexuelle Menschen in ihrer Würde achtet und mit Respekt aufnimmt.
Es bleibt aber die Sorge, dass sie – wie auch etwa jene in der „wilden Ehe“ – nicht der kirchlichen Verkündigung zur Sexualität entsprechend leben.
Ich verstehe und schätze auch, dass jemand seinen Partner der Welt als einen Menschen präsentieren möchte, zu dem er ganz und gar gehört und für den er Verantwortung übernimmt – aber die Ehe von Mann und Frau hat ihren ganz besonderen Grund und eine unvergleichliche Bedeutung für den Aufbau der Gesellschaft und ist daher auch mit anderen Formen des Zusammenlebens nicht gleichzusetzen.
Mit welchen Ideen und Vorstellungen fahren Sie zur Synode?
Turnovszky: Ich vertrete dort Österreich. Deshalb werde ich die Rückmeldungen, die ich auf das ausgesandte Arbeitsdokument erhalten habe, einbringen.
Man kann mir – unter Angabe der Stelle im Dokument – auch weiterhin Anregungen senden: jugendsynode@edw.or.at. Ich freue mich zudem, dass ich von jungen Menschen begleitet werde, um Themen vor Ort mit ihnen beraten zu können.
Eine klassische Frage in vielen Pfarren ist, wie man junge Menschen zum Bleiben in der Kirche bewegen kann.
Was empfehlen Sie?
Turnovszky: Das Ziel der Jugendseelsorge ist nicht, jungen Menschen zu sagen, was man von ihnen will. Es geht um die Frage, was man für sie möchte.
Was könnte man Besseres wollen, als ihnen die Liebe Gottes zu verkünden, ihnen den Glauben und den Kontakt zu Jesus Christus anzubieten?
Die jungen Menschen sind nicht dafür da, unser bisheriges System aufrechtzuerhalten. Sie haben das Recht auf eine neue Ausdrucksform kirchlichen Glaubens.
Wie ist man also missionarisch für die Jugend?
Turnovszky: Indem Gläubige hören, was Sorgen und Anliegen der Jugendlichen sind, und sie unterstützen! Dann kann man ihnen auch bezeugen: „Ich kenne einen, der mir hilft: Jesus Christus!“
Im Glauben erfahrene Menschen sollen zeigen, dass es schön ist, ein mit Gott und anderen Menschen verbundenes Leben zu führen. Junge Menschen haben Sehnsucht nach gelungenem Leben.