Die stillste Zeit im Jahr
Jetzt ist sie da: die stillste Zeit im Jahr. Und heuer stimmt es sogar mit dem „still“. Dennoch herrscht keine ungebrochene Freude über die verordnete Corona-Stille. Warum? Weil viele Menschen Angst haben: Angst vor einer schweren Erkrankung, andere haben Angst vor Armut (davor, ihre wirtschaftliche Lebensgrundlage zu verlieren), andere politische Angst (weil der Staat immer mehr Freiheitsrechte beschneidet). In früheren Zeiten hatten die Menschen zwar vor anderem Angst, aber Angst hatten sie auch: Angst davor, überfallen und ausgeraubt zu werden, Angst, durch die Willkür des Grundherrn in Bedrängnis gebracht zu werden, Angst, lächerlich gemacht zu werden. Letztlich steckt hinter jeder Angst die zeitlose menschliche Angst vor dem Tod.
Die dunkle Jahreszeit ist seit jeher die der besonderen Auseinandersetzung mit den Ängsten. Viele vorchristliche Bräuche beschäftigten sich mit dem Vertreiben der Finsternis, die für die bösen Geister stand. Christen brachten dem Thema eine Wende, weil sie sich mehr mit dem Licht als mit der Finsternis beschäftigten. Es steht für Jesus Christus, der von sich gesagt hat: „Ich bin das Licht der Welt.“ Ins-Licht-Schauen ist daher für Christen ein Synonym fürs Beten geworden.
Viele Menschen wissen heute gar nicht mehr, wie Beten geht. Sie meinen, es bestünde darin, auswendig Gelerntes aufzusagen. Nein, es ist viel einfacher, und jeder kann es: Beten ist eine Frage der Aufmerksamkeit und der Achtsamkeit. Betende Menschen richten ihre Aufmerksamkeit auf die Gegenwart Gottes, Christen richten sie auf die Gegenwart des auferstandenen Herrn Jesus Christus, der anwesend ist, hier und jetzt.
Sie achten auf seine wohltuende und rettende Gegenwart, die sich sowohl in der Stille vernehmen lässt als auch durch tausend Dinge des Alltags, für die wir dankbar sein können: Freunde zu haben, Fließwasser, ausreichende Nahrung und vieles mehr. Mit Achtsamkeit für all das Gute („Lichtvolle“) in der Umgebung beginnt das Gebet, und schließlich richtet es sich auf den Guten selbst, auf Gott, auf seine Gegenwart.
Ins Licht schauen: Das ist der adventliche Umgang mit der Angst. Angst gehört zum Menschsein. Haben Sie keine Angst vor der Angst, denn sie ist normal. Aber tun Sie etwas gegen Ihre Angst: Nehmen Sie sich Zeit und schauen Sie voll Dankbarkeit auf Gutes in Ihrem Leben. Sie werden sehen: In Ihrem Leben wird es Woche für Woche „heller“ werden, so wie mit den Kerzen auf Ihrem Adventkranz. Dann ist die Zeit zwar still, aber die Stille ist voller Licht.