"Die vier Kerzen haben ihre eigene Bedeutung. Die erste Kerze ist die Verheißung, dass wir mit uns selbst eins werden, dass wir unsere innere Zerrissenheit überwinden", so Pater Anselm Grün.
"Die vier Kerzen haben ihre eigene Bedeutung. Die erste Kerze ist die Verheißung, dass wir mit uns selbst eins werden, dass wir unsere innere Zerrissenheit überwinden", so Pater Anselm Grün.
Der Benediktiner Anselm Grün begleitet uns im "SONNTAG" durch den Advent.
In vielen Gegenden Österreichs ist es üblich, am 1. Adventsonntag den Adventkranz in den Gottesdienst mitzubringen und dort segnen zu lassen. Das ist ein schöner Brauch. Aber es ist unsere Aufgabe, so einen Brauch immer neu zu deuten. Gegenstände zu segnen hat nichts mit Magie zu tun. Der Segen hat einen zweifachen Sinn. Zum einen erinnert uns der gesegnete Adventkranz, dass Gottes Segen in der Adventzeit mit uns geht, dass Gottes Segen uns immer und überall einhüllt wie ein wärmender Mantel. Zum andern deutet der Segen die Gegenstände, die wir segnen.
Der Segen drückt aus, was Gott uns durch den Adventkranz sagen möchte. Er möchte uns sagen, dass unser Leben gelingt. Der Kranz ist ein Siegeskranz. Der Adventkranz drückt die Hoffnung aus, dass Gott alles Zerbrochene und Brüchige in uns zusammenfügt, dass er aus allem Scheitern ein neues Gelingen zu formen vermag und dass Gott die Gemeinschaft unserer Familie, die vielleicht auseinanderstrebt, wieder zusammenfügt und sie miteinander verbindet. Der Adventkranz ist wie ein Haussegen, der unser Haus mit Gottes Segen erfüllt. Er zeigt uns, dass wir in gesegneten Räumen leben, dass nicht nur unsere Konflikte dieses Haus erfüllen, sondern Gottes Segen, der all diese Konflikte zu wandeln vermag.
Und die vier Kerzen haben ihre eigene Bedeutung. Die erste Kerze ist die Verheißung, dass wir mit uns selbst eins werden, dass wir unsere innere Zerrissenheit überwinden. Wir werden eins mit uns, indem wir das Licht Christi in unser inneres Chaos eindringen lassen. Die zweite Kerze erinnert uns daran, dass die Gegensätzlichkeit zwischen uns, zwischen Mann und Frau, zwischen Jung und Alt, durch das Licht Christi zu einem Miteinander wird. Die zwei Kerzen brennen heller als die eine allein.
Wenn alles Gegensätzliche in uns und in unserer Familie vom Licht Christi erleuchtet wird, wird unser Miteinander heller und wärmer. Die dritte Kerze verweist uns auf die drei Bereiche unseres Menschseins, auf unseren Leib, die Seele und den Geist. Alles will vom Licht Christi erhellt werden. Und die vierte Kerze steht für das Irdische, für das Alltägliche. Adventzeit ist die Verheißung, dass unser alltägliches Leben, unser Arbeiten und unser Miteinander, unser Essen und Trinken, unsere Sorgen und unsere Nöte, vom Licht Christi erleuchtet wird. Dann wird alles in uns neu. Dann wird das ganze Haus vom Licht Christi erfüllt. Dann wird der Segen Gottes alles in uns und in unserem Haus erfüllen und verwandeln.
„Wenn alles Gegensätzliche in uns und in unserer Familie vom Licht Christi erleuchtet wird, wird unser Miteinander heller und wärmer.“
(46913)
Anselm Grün OSB (*14. Januar 1945 in Junkershausen als Wilhelm Grün) ist ein deutscher Benediktinerpater, Autor spiritueller Bücher, Referent zu spirituellen Themen, geistlicher Berater und Kursleiter für Meditation, Kontemplation, geistliches Leben etc. Er ist einer der meistgelesenen deutschen Autoren der Gegenwart. Seine Bücher wurden in mindestens dreißig Sprachen übersetzt.
Weitere Informationen zu "Der SONNTAG" die Zeitung der Erzdiözese Wien