Die Geburt Christi markierte nicht nur den Jahresanfang, sie wurde auch Ausgangspunkt einer Zeitrechnung.
Die Geburt Christi markierte nicht nur den Jahresanfang, sie wurde auch Ausgangspunkt einer Zeitrechnung.
Weihnachten ist ein Fest mit langer Tradition, doch bis zu den ersten Christen reicht sie nicht zurück. Ein Streifzug durch die Geschichte mit Diözesanarchivar Johann Weißensteiner.
"Den Christen des ersten und zweiten Jahrhunderts war es kein Anliegen, den Tag der Geburt Christi in besonderer Weise zu begehen", erklärt der Wiener Diözesanarchivar Johann Weißensteiner. Man erwartete die baldige Wiederkunft des Herrn. "Als sich diese sogenannte Parusie-Erwartung nicht erfüllte, musste man in Konfrontation mit dem Römischen Reich die eigenen Feste festlegen", so Weißensteiner.
Der 25. Dezember als Tag der Geburt Jesu ist erstmals im 4. Jahrhundert bezeugt, im Chronographen des Jahres 354, einer sehr schönen Bilderhandschrift, verfasst von Furius Dionysius Filocalus, einem Vertrauten Papst Damasus‘ I., im Auftrag eines reichen christlichen Aristokraten. Archivar Johann Weißensteiner zitiert daraus: „Am achten Tag vor den Kalenden (= 1. des Monats, Anm.) des Jänners ist Christus in Bethlehem in Judäa geboren.“
Wie der Geschichtsschreiber auf just diesen Tag gekommen war, versuchten Theologen und Religionswissenschaftler herauszufinden. Ein Erklärungsmodell ist folgendes: Im Römischen Reich wurde am 25. Dezember die Wintersonnenwende begangen, im Jahr 275 ordnete Kaiser Aurelian für diesen Tag die Feier des „Sol Invictus“, des unbesiegten Sonnengottes, an. Auch im Mithraskult, der im ganzen Römischen Reich verbreitet war, auch auf dem Gebiet des heutigen Österreich, wurde an diesem Tag gefeiert. „Der Mithraskult war im dritten und frühen vierten Jahrhundert der große Konkurrent des Christentums“, erklärt Johann Weißensteiner. „Im Mythos von Mithras kommen Elemente vor, die an die Geburt Christi erinnern. Mithras wird aus dem Felsen geboren, Hirten sind als Geburtshelfer dabei. Die Hirten spielen ja auch im Weihnachtsevangelium eine ganz wichtige Rolle“.
Die religionsgeschichtliche Interpretationsthese kommt zu dem Schluss, das Fest der Geburt Jesu wurde auf den 25. Dezember gelegt, um ein Gegengewicht zum heidnischen Kult des Sol Invictus zu haben. „Das wahre Licht ist Christus, er ist die Sonne der Gerechtigkeit“, so Weißensteiner, „viele Prophezeiungen des Alten Testaments weisen auf dieses Thema hin“.
Eine andere Erklärung ist, dass der 25. Dezember innerkirchlich berechnet wurde. „In hebräischen Schriften gibt es die Auffassung, dass die Patriarchen immer ganze Lebensjahre vollendet haben“, erläutert Diözesanarchivar Weißensteiner, „sie sind nicht mit 63 Jahren und 7 Monaten gestorben, sondern genau mit 63 Jahren“. Der Todestag Jesu wird am 25. oder 28. März angenommen, und diesen 25. bzw. 28. März nimmt man als Tag seiner Menschwerdung, als er von Maria empfangen wurde. „Ist Christus am 25. März empfangen worden, ergibt sich der 25. Dezember als Geburtstag“, folgert Johann Weißensteiner.
„Im vierten Jahrhundert setzte sich der 25. Dezember als Geburtstermin Jesu zunächst in Rom, danach in Nordafrika durch. Aus dem Jahr 362/363 ist die Weihnachtspredigt eines Bischofs von Numidien (heute Algerien, Tunesien), Optatus von Mileve, erhalten. „Thema ist vor allem der bethlehemitische Kindesmord“, berichtet Johann Weißensteiner. „Erst von Rom aus wird das Weihnachtsfest dann auch im Osten, zum Beispiel in Konstantinopel um 380, angenommen.
Es gibt aber auch Ostkirchen, wie etwa die armenische Kirche, die bis heute den 25. Dezember nicht feiern, für sie gilt noch immer der 6. Jänner – bei uns Epiphanie – als Tag der Geburt Jesu.“
Die Tradition des Weihnachtsfestes breitete sich von Rom aus. Für das vierte Jahrhundert sind Feiern in Nordafrika, dem Orient, Italien und Spanien belegt. Rom blieb lange Zeit prägend, was den Modus der Feier anbelangt, so Johann Weißensteiner: „Die Feier des Weihnachtsfestes wurde in Rom immer weiter ausgestaltet. Die römische Liturgie hatte im Mittelalter immer wieder Vorbildfunktion.“
Die Feier der Geburt Jesu Christi errang bald große Bedeutung. Weißensteiner: „Ein ganz interessanter Aspekt ist der, dass man dieses Weihnachtsfest derartig wichtig genommen hat, dass man damit auch das Jahr hat beginnen lassen.“ Im Mittelalter gab es in Europa sechs Jahresanfänge. Bei den Römern war es ursprünglich der 1. März. Durch Julius Cäsars Kalenderreform wurde zwar der 1. Jänner als Jahresanfang festgelegt. Der 1. März wurde aber vor allem in Ostrom, also in Byzanz (heute Istanbul) lange beibehalten. Der 25. März, der Tag der Verkündigung an Maria, war ein weiterer möglicher Jahresbeginn (sog. Marienjahr). Es war des weiteren möglich, das Jahr mit Ostern beginnen zu lassen. Nachdem Ostern ein bewegliches Fest ist, begann damit das Jahr immer zu einem anderen Tag.
In Byzanz wurde später der 1. September als Jahresbeginn festgelegt. Und dann konnte auch mit dem 25. Dezember, mit der Geburt Jesu, ein neues Jahr anfangen. In Deutschland wurde der 25. Dezember als Jahresanfang in der Zeit Karls des Großen um 800 n. Chr. eingeführt. Erst im 16. Jahrhundert setzte sich allmählich überall der erste Jänner als Jahresbeginn durch.
Die Geburt Christi markierte nicht nur den Jahresanfang, sie wurde auch Ausgangspunkt einer Zeitrechnung. „In der gesamten westlichen Welt haben wir die christliche Zeitrechnung“, sagt Diözesanarchivar Weißensteiner, „sie wurde im 6. Jahrhundert vom Mönch Dionysius Exiguus eingeführt. Dem ist allerdings ein Fehler unterlaufen, er hat das Jahr der Geburt Christi vermutlich um 4 bis 7 Jahre zu spät datiert“.
Nicht nur das Datum von Weihnachten, auch der Charakter der Feierlichkeiten hat sich im Lauf der Zeit geändert. Das Schenken zu Weihnachten war keineswegs von Anfang an üblich, erläutert Weißensteiner: „Der Gabenbringer war früher immer der heilige Nikolaus.
Allmählich wurden die Geschenke dann zu Weihnachten und nicht mehr vom Nikolaus gebracht.“ Im 19. Jahrhundert nahm das Weihnachtsfest etwa jene Form an, in der wir es gegenwärtig begehen. Der Christbaum hielt Einzug in die Bürgerhäuser. „Der Gebrauch von Bäumen war schon früher bei Paradiesspielen oder Weihnachtsspielen üblich, dabei hat man an den Baum des Paradieses erinnert. Christus wird oft mit einem Apfel dargestellt, er gibt Maria den Apfel, der den Sündenfall ausgelöst hat, zurück, das heißt die Schuld ist damit getilgt. In der Kirche hat der Baum also schon lange eine Rolle gespielt.“
Zu Weihnachten, wie wir es heute kennen, gehört auch die Krippe. Deren Ursprünge gehen auf den heiligen Franz von Assisi zurück, führt Johann Weißensteiner aus: „Um das Weihnachtsfest entwickelten sich viele Elemente der Volksfrömmigkeit. Schon sehr früh gab es Krippenspiele. Die Krippe steht als Vergegenwärtigung des Geschehens in Bethlehem. Im Jahr 1223 hat der heilige Franz von Assisi zum ersten Mal eine solche Krippenfeier veranstaltet.“ Bei dieser Krippenfeier gab es das Jesuskind, die Krippe mit Heu und Stroh, Ochs und Esel. Maria und Josef werden noch nicht dargestellt.
Erst im 16. Jahrhundert setzte sich die Krippe, wie wir sie heute kennen, wesentlich durch. „Es war Anliegen der Orden der katholischen Erneuerung, wie der Jesuiten oder Kapuziner, diese Krippendarstellungen weit zu verbreiten. Sie haben zunächst Eingang in die Kirchen und schon bald in die Privathäuser gefunden.“ Im 18. Jahrhundert, vor allem in der zweiten Hälfte, als von der Aufklärung die „Auswüchse“ des Barockkatholizismus abgestellt wurden, durften in den Kirchen keine Krippen aufgestellt werden. „Aber das Volk ist an diesen Krippen gehangen, und so haben die Krippen im Privatbereich überlebt“, erklärt Johann Weißensteiner, „im 19. Jahrhundert gibt es schon eine richtige Massenindustrie, besonders von Südtiroler Bildschnitzern.“ Mittlerweile ist die Krippenkunst im Volksbrauchtum fest verankert.
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